Ebersbach - Bebenhausen (Zeitüberschreitung)

Veröffentlicht am: 16.01.2010 von Holger Schröck in: Schiedsgericht » Urteile Drucken

In der Streitsache

des Schachvereins Ebersbach
Protestführer

gegen

den Schachklub Bebenhausen 1992
Protestgegner

wegen Zeitüberschreitung

hat das Verbandsschiedsgericht durch Dr. Rolf Gutmann als Vorsitzenden und Dr. Friedrich Gackenholz und Michael Schwerteck als Beisitzer am 2.1.2010 ohne mündliche Verhandlung entschieden:

  1. Der Protest wird zurückgewiesen.
  2. Der Protestführer trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Begründung:

1. Die Parteien streiten darüber, ob beim Oberliga-Kampf der Parteien am 11.10.2009 am Brett 3 der Spieler des Protestführers die Partie zu Recht durch Zeitüberschreitung verloren hat.

Der Spielbericht des Schiedsrichters zu diesem Kampf lautet: „Brett 3 wurde durch Zeitüberschreitung entschieden. Die Schachuhr (elektr. BHB) zeigte die Überschreitung jedoch nicht an (Fähnchensignal). An anderen Uhren funktionierte diese Anzeige jedoch. Eine Überprüfung der Uhren wurde von mir angeregt. Nach der Ansage `Zeit gefallen´ machten beide Spieler noch einen Zug, danach waren beide Blättchen gefallen und auf der Uhr war kein Fähnchen zu sehen(= nicht erkennbar welches Fähnchen gefallen war). SR (d. h. Schiedsrichter) entschied nach eigener Wahrnehmung.“ Der Spielbericht ist neben der Unterschrift des Schiedsrichters von beiden Mannschaftsführern der Oberliga-Mannschaften der Parteien unterschrieben.

Gegen die Wertung der Partie an Brett 3 hat der Protestführer mit Schreiben vom 18.10.2009 beim Staffelleiter der württembergischen Oberliga Einspruch eingelegt. Gegen dessen zurückweisende Entscheidung vom 27.10.2009 hat der Protestführer mit Schreiben vom 3.11.2009 beim Verbandsschiedsgericht Protest erhoben. Auf die Anregung des Gerichts, den Protest zurückzunehmen, hat der Protestführer mit Schreiben vom 29.11.2009 ausdrücklich an seinem Protest festgehalten.

Das letzte Schreiben trägt auch die Unterschrift eines Vorstandsmitglieds des Protestführers, während die vorangegangenen Schreiben nur vom dem Spielleiter und Mannschaftsführer der Oberliga-Mannschaft des Protestführers unterzeichnet sind, der bereits den Spielbericht unterzeichnet hatte.

Der Protestführer zweifelt die Wahrnehmung des Schiedsrichters an, er habe die Zeitüberschreitung des Spielers des Protestführers gesehen. Vielmehr habe ein Spieler der Mannschaft des Protestführers ausdrücklich gesehen, dass die Zeit des Spielers der Mannschaft des Protestgegners eher abgelaufen gewesen sei. Im übrigen sei der Schiedsrichter den ihm obliegenden Pflichten, nach Beendigung der Partie die Spieler zur Vervollständigung der Notation zu veranlassen, nicht nachgekommen. Er könne daher nicht mit Sicherheit feststellen, wie viele Züge überhaupt in der Partie gespielt worden seien. Er habe seine Entscheidung über das Spielergebnis auch erst zehn Minuten nach Beendigung der Partie bekanntgegeben. Zusammenfassend ist der Protestführer der Auffassung, der Schiedsrichter habe seine Aufgaben in so mangelhafter Weise wahrgenommen, dass ihm die Qualifikation fehle, die von ihm getroffene Entscheidung tatsächlich treffen zu können. Ergänzend weist der Protestführer daraufhin, der Mangel der am Brett 3 eingesetzten Schachuhr, d. h. das Fehlen der Anzeige, welche Bedenkzeit zuerst abgelaufen sei, was erst zu den aufgetretenen Streitfragen geführt habe, gehe zu Lasten des gastgebenden Protestgegners. Der Protestführer beantragt, die Entscheidung des Schiedsrichters zu annullieren und die Partie neu anzusetzen, hilfsweise sie als „remis“ zu werten.

Der Protestgegner beantragt, den Protest zurückzuweisen. Er stützt sich auf die Aussage des Schiedsrichters, er habe festgestellt, dass die Zeitüberschreitung zuerst bei dem Spieler des Protestführers eingetreten sei. Das habe die zwingende Folge des Partieverlustes gehabt.

Der Schiedsrichter hat in einer Stellungnahme vom 23.10.2009 ausgeführt, angesichts der Zeitnotphase bei Brett 3 habe er das Mitschreiben der Züge übernommen. Dabei habe er festgestellt, dass die Uhr des Spielers des Protestführers auf 1:00 umsprang. Er habe „Zeit“ gesagt, was die Spieler aber nicht zur Kenntnis nahmen, sondern weiter „blitzten“. Um die Schachuhr abzustellen, habe er um den Tisch herumgehen müssen. Inzwischen hätten beide Spieler noch ein bis zwei Züge weitergespielt. Als er die Uhr abgestellt habe, zeigte die Anzeige des Spielers des Protestgegners ebenfalls 1:00. Er habe dann festgestellt, dass die Anzeige, welcher Spieler als erster die Zeit überschritten habe, bei dieser Uhr – im Gegensatz zu den anderen verwendeten Uhren – defekt war. Wenn auch diese Beweismöglichkeit fehle, bleibe es bei seiner tatsächlichen Wahrnehmung, dass die Zeit zunächst von dem Spieler des Protestführers überschritten gewesen sei. Er habe den Spieler des Protestführers gebeten, seine Notation zu vervollständigen. Nachdem dieser seiner Bitte nicht nachgekommen sei, habe er die Vervollständigung der Notation auf sich beruhen lassen. Die Prüfung der anderen Schachuhren habe einige Zeit in Anspruch genommen, so dass bis zum Bekanntgeben seines Ergebnisses – Sieg für den Spieler des Protestgegners – gegenüber den Mannschaftsführern einige Minuten vergangen seien. Insgesamt bestätigen die Ausführungen des Schiedsrichters die Feststellungen, die er bereits im Spielbericht getroffen hat (und den die Mannschaftsführer unterschrieben haben).

2. Der Protest ist zulässig, aber unbegründet. Zwar war der zunächst allein Rechtsmittel einlegende Mannschaftsführer nicht ordnungsgemäßer Vertreter des Protestführers. Doch heute wird der Protestführer entsprechend seiner Satzung durch zwei gemeinsam vertretungsbefugte Personen vertreten. Diese haben das Handeln des Mannschaftsführers rückwirkend genehmigt (vgl. BVerwG, U. v. 22.1.1985 - 9 C 105.84 -, BVerwGE 71, 20 (23 f.) = NJW 1985, 2963 (2964).

Die Partie an Brett 3 der Oberliga-Begegnung der Parteien am 11.10.2009 ist zu Recht als verloren für den Spieler des Protestführers gewertet worden.

Das Verbandsschiedsgericht ist davon überzeugt, dass die Spieler der umstrittenen Partie bei ihrem „Blitzen“ mit Sicherheit die Zugzahl 40 nicht erreicht haben. Darin stimmt auch die Darstellung beider Parteien überein. Der Protestführer moniert zwar, dass die genaue Zugzahl nicht durch Rekonstruktion der Partie festgestellt wurde, trägt aber selbst vor, dass jedenfalls keine 40 Züge gespielt wurden.

Wird festgestellt, dass die Zeit eines Spielers vor der vorgesehenen Zeitkontrolle verbraucht ist (die FIDE-Schachregeln verwenden die Begriffe „Fallblättchen … gefallen“), tritt unmittelbar die Folge ein, dass die Partie für den Spieler verloren ist, unabhängig davon, wie viel Bedenkzeit der andere Spieler noch besitzt. Nach Nr. 6.8 der FIDE-Schachregeln obliegt die Feststellung der Zeitüberschreitung ausschließlich dem Schiedsrichter oder den Spielern. Die Wahrnehmung eines Dritten, der die Partie und eine Zeitüberschreitung beobachtet, hat deshalb nicht die Folge, dass die Partie verloren ist. Der Schiedsrichter wiederum muss zwingend eingreifen und die Partie für beendet erklären, wenn er erkennt, dass ein Spieler die Bedenkzeit überschritten hat. Lediglich im Schnellschach gilt anderes (vgl. Anhang A d1) der Fide-Regeln).

Das schließt eine Überprüfung der Entscheidung nicht aus, wie aus dem Umkehrschluss aus Art. 10.2 d) der Fide-Regeln folgt. Deshalb kann auch den Anforderungen an Art. 19 Abs. 4 GG entsprochen werden.

Das Gericht hatte keine Veranlassung, im Wege der Beweisaufnahme der Behauptung eines zuschauenden Spielers des Protestführers nachzugehen, er habe gesehen, dass der Spieler des Protestgegners zunächst die Zeit überschritten habe. Eine Vernehmung des zuschauenden Spielers des Protestführers hätte den Charakter einer Parteivernehmung. Die Parteivernehmung ist wegen der Befangenheit bei Angaben in eigener Sache ein unzuverlässiges Beweismittel. Nach §§ 445 ff. ZPO kommt sie nur in Betracht, wenn keine anderen Beweismittel vorliegen. Das aber ist hier die Angabe des Schiedsrichters zu dem Streitpunkt, welcher Spieler zuerst seine Bedenkzeit überschritten hat. Das Verbandsschiedsgericht folgt deshalb den Angaben des Schiedsrichters.

Weitere im Zuge der Abwicklung der streitigen Partie erhobene Vorwürfe und stattgefundene Geschehnisse haben auf die allein zu treffende Entscheidung, dass die Zeitüberschreitung nach Wahrnehmung des Schiedsrichters und dem folgend für das Verbandschiedsgericht feststeht, keinen Einfluss.

Nach allem ist der Protest zurückzuweisen. Die Protestkosten verbleiben beim Protestführer. Es bestand keine Veranlassung, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.