SC Grunbach - SpVgg Rommelshausen

Veröffentlicht am: 28.12.2006 von Holger Schröck in: Schiedsgericht » Urteile Drucken

In der Schiedssache

des SC Grunbach
Protestführer

gegen

die SpVgg Rommelshausen
Protestgegnerin

wegen Handy-Gebrauchs

hat das Verbandsschiedsgericht durch Dr. Rolf Gutmann als Vorsitzenden und Siegfried Kast und Prof. Eberhard Herter als Beisitzer am 28.12.2006 entschieden:

Der Protest wird zurückgewiesen.

Der Protestführer trägt die Kosten des Verfahrens.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Begründung:

Beim Wettkampf der 1. Mannschaften der Parteien am 12.11.2006 in der Verbandsliga benützte ein Spieler des Protestführers, der Gastverein war, außerhalb des Spielsaals zweimal ein Handy. Der Mannschaftsführer der Protestgegnerin wertete in seiner Funktion als Schiedsrichter die Partie dieses Spielers als verloren. Er ließ vorsorglich die Fortsetzung der Partie zu. Die unter diesem Vorbehalt fortgeführte Partie endete Remis. Der Protestführer kündigte Einspruch an und legte diesen nachfolgend, zunächst per eMail und auf Hinweis des Verbandsschiedsgerichts per Telefax vom 20.11.2006 ein. Der Spielleiter wies den Einspruch am 29.11.2006 zurück. Der Protest ging am 11.12.2006 per Briefpost beim Verbandsschiedsgericht ein. Der Protestführer beantragt die Abänderung der Wertung des Wettkampfes und Wertung der Partie als unentschieden, zumindest aber mit ½ : 0 statt 1 : 0 für den Protestgegner. Er legt einen Einzelverbindungsnachweis vor, wonach beim Spieltag vom Handy aus erst nach Ende des Wettkampfes eine telefonische Verbindung zustande kam und bietet Beweis durch Zeugenvernehmung an, dass der Einzelverbindungsnachweis zu dem benützten Handy gehört habe. Die Protestgegnerin beantragt, den Protest zurückzuweisen.

Der Protest ist zulässig, aber nicht begründet. Es wird unterstellt, dass der Spieler des Protestführers das Turnierareal nicht verlassen hat, was gemäß Art. 12 Abs. 5 der FIDE-Regeln (im folgenden zitierte Artikel sind alle FIDE-Regeln) zum Verlust der Partie geführt hätte. Doch hat er ein Handy nicht nur mitgebracht, sondern auch ohne Erlaubnis benützt. Der Protestführer hält dem entgegen, die beiden Fällen des Art. 12 Abs. 2 b) regelten unterschiedliche Sachverhalte. Satz 2 der Vorschrift ordne zwar zwingend den Partieverlust bei Läuten eines Handy an. Doch Satz 1 enthalte diese Konsequenz nicht und müsse deshalb anders ausgelegt werden.

Dem Protestführer ist zunächst zuzugestehen, dass die (nachträgliche) Einfügung der Handys betreffenden Vorschriften in die FIDE-Regeln unsystematisch erfolgte. Art. 13 Abs. 7 b) verbietet den Gebrauch eines Mobiltelefons für jedermann im Turnierareal und in jedem vom Schiedsrichter bestimmten Bereich. Während lit. a) der Vorschrift es zulässt, bei Störungen Zuschauer und Spieler anderer Partien aus dem Turnierareal zu weisen, enthält lit. b) keine ausdrückliche Anordnung, welche Folgen ein Verstoß gegen das Verbot hat. Unsystematisch ist auch, dass Spieler gemäß Art. 12 Abs. 7 bei Verstößen gegen Art. 12 Abs. 1 bis 6 gemäß Art. 13 Abs. 4 bestraft werden können. Aber Art. 12 Abs. 2 b) Satz 2 und 3 enthalten gesonderte Sanktionen. Diese Sanktionen sind doppelter Art. Einerseits soll der Spieler, dessen Handy klingelt, die Partie verloren haben. Andererseits soll sein Gegner nach Entscheidung des Schiedsrichters die Partie gewonnen oder ebenfalls verloren haben oder für ihn als remis gewertet werden. Die letzteren beiden Fälle könnten vorliegen, wenn der mit Spielverlust bestrafte Spieler bei ausreichender Bedenkzeit ein Matt erzwingen konnte oder ein Remis.

Eine Sondervorschrift schließt die Anwendung einer abweichenden allgemeinen Regelung aus. Wo die Sanktion des Art. 12 Abs. 2 b) Satz 3 eingreift, ist die Verweisung auf die Rechtsfolgen gemäß Art. 12 Abs. 7 also entgegen dessen Wortlaut gerade ausgeschlossen. Andererseits sind Ausnahmen eng auszulegen und ist der allgemeinen Regelung der Vorzug zu geben, soweit Gründe der Systematik nicht dagegen sprechen. Das Verbandsschiedsgericht geht deshalb davon aus, dass die Sanktion des Art. 12 Abs. 2 b) Satz 3 sich lediglich auf Satz 2, also das Verbot des Klingelns des Handys bezieht, während Verstöße gegen Satz 1 nach den allgemeinen Vorschriften zu beurteilen sind.

Verstöße gegen Art. 12 Abs. 2 b) Satz 1 unterliegen demnach der Rechtsfolge des Art. 12 Abs. 7. Satz 1 betrifft den Besitz eines Handy, während Art. 13 Abs. 7 b) wiederum für den Gebrauch des Handys eine Sondervorschrift darstellt. Art. 13 Abs. 7 b) ist eine Konkretisierung des zuvor angeführten Verbots, sich in Spiele in irgendeiner Weise einzumischen. In einem solchen Fall darf der Schiedsrichter den Störer aus dem Turnierareal weisen, muss dies aber nicht. Ihm kommt ein Ermessen zu. Da das Handy-Verbot eine Konkretisierung des allgemeinen Verbots von Störungen darstellt, erstreckt sich das Recht auf Ausschluss aus dem Turnierareal nach lit. a) auch auf das Handy-Verbot nach lit. b) des Art. 13 Abs. 7. (Demgegenüber stellt das Klingeln eines Handys während der Partie zwar ebenfalls eine Störung dar, unterfällt aber nur den Sondervorschriften des Art. 12 Abs. 2 b) Satz 2 u. 3, rechtfertigt also keinen Ausschluss aus dem Turnierareal.) Gestört hat der Spieler des Protestführers nach den Angaben der Parteien nicht. Unter diesem Gesichtspunkt wäre der ausgesprochene Partieverlust nicht gerechtfertigt.

Dennoch bedarf es einer näheren Betrachtung des Verbots nach Art. 12 Abs. 2 b) Satz 1. Danach ist schon das bloße Mitbringen von Mobiltelefonen ohne Genehmigung streng verboten („strictly forbidden“). Die Formulierung unterstreicht die Absolutheit des Verbots. Das Verbot ist allerdings dann zu modifizieren, wenn die Spieler keine Möglichkeit haben, ihre Handys zur sicheren Verwahrung abzugeben. Der Schiedsrichter muss ihnen dann – wie im Streitfall geschehen – erlauben, das Handy ausgeschaltet mit sich zu führen.

Mit Handys kann heute telefoniert und fotografiert werden. Sie können mit Schachprogrammen programmiert werden. Dadurch bieten sich umfassende Möglichkeiten der Analyse, sei es durch Übermittlung von Fotografien einer Stellung und Analyse an größeren Rechnern, Zugübermittlungen per SMS, aber auch Abgleichen von Datenbanken und Stellungsanalyse mittels des Handys selbst. Ein Handy ist deshalb zugleich als mögliches unerlaubtes Hilfsmittel zu behandeln. Insoweit stellt Art. 12 Abs. 2 b) Satz 1 einerseits eine Konkretisierung des Verbots nach Abs. 1 der Vorschrift dar. Die Vorschrift eröffnet dem Schiedsrichter andererseits die Möglichkeit, nach vorheriger Prüfung Ausnahmen vom Handy-Verbot zu erlauben, etwa wenn ein Anruf aus einer befürchteten Notsituation eines Dritten eintreffen könnte.

Der Spieler des Protestführers hat ein unerlaubtes Hilfsmittel ohne vorherige Erlaubnis benützt. Auf den Zweck, zu dem er es benützen wollte, kommt es nicht an. Ausschlaggebend ist das äußere Erscheinungsbild. Die Folge des Rechtsverstoßes ist (über Art. 12 Abs. 7) in Art. 13 Abs. 4 geregelt. Danach kann der Schiedsrichter „eine oder mehrere der folgenden Strafen verhängen“. Der Schiedsrichter muss also keine Strafe verhängen und hat hinsichtlich der Sanktion ein Auswahlermessen.

Vorliegend hat der Schiedsrichter Ermessen nicht ausgeübt. Das Verbandsschiedsgericht muss daher die Ausübung des Ermessens nachholen. Der Protestführer führt aus, es sei ein „deutlicher, wenngleich nicht zwingend gewinnbringender Vorteil“ für seinen Spieler zu erkennen gewesen. Er räumt damit ein, dass die Partie zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden, sondern offen war. Sie konnte von beiden Spielern gewonnen werden. Danach ist die vorliegend durch den Schiedsrichter getroffene Wertung mit 1 : 0 gerechtfertigt. Eine andere Wertung wäre geboten, könnte z. B. ein Spieler ohne weiteres ein Remis durch Zugwiederholung erzwingen oder stünde dem vom Weiterspielen ausgeschlossenen Spieler eine offensichtliche Mattwendung bei ausreichender Bedenkzeit zur Verfügung. Das Schiedsgericht kann aus dem Umstand, dass der Schiedsrichter im Hinblick auf die vom Protestführer geltend gemachten Einwände vorsorglich die Partie unter Vorbehalt des durch seine Verlust-Entscheidung begünstigten Spielers weiterspielen ließ, nicht herleiten, dass deshalb das sportliche Ergebnis der Partie gelte und der Ausschluss vom Spiel aufgehoben worden wäre. Nach Art. 13 Abs. 2 handelt es sich um eine im besten Interesse des Wettkampfes getroffene Entscheidung. Andernfalls hätten beide Spieler sich vorsorglich auf eine Fortsetzung des Wettkampfes an einem anderen, evtl. sehr kurzfristig anzuberaumenden Termin einrichten müssen, was beider Interesse an ihrer freien Freizeitgestaltung widersprochen hätte.

§ 12 Abs. 5 Schiedsordnung verweist auf die Kostenregelungen des FGG und der StPO. Nach § 13a Abs. 1 FGG werden in der Regel außergerichtliche Kosten nicht erstattet. Für das vorliegende Verfahren bestand kein Anlass, von dieser Regelung abzuweichen.

Dr. Rolf Gutmann Siegfried Kast Prof. Eberhard Herter