Nürtingen 1920 e.V. gegen Neckartenzlingen

Veröffentlicht am: 07.01.2000 von Holger Schröck in: Schiedsgericht » Urteile Drucken

In der Schiedssache

des Schachvereins Nürtingen 1920 e. V.
Antragsteller/Berufungsführer

gegen

die Schachfreunde 1947 Neckartenzlingen e. V.
Antragsgegner/Berufungsgegner

wegen unerlaubten Einsatzes eines Spielers

hat das Verbandsschiedsgericht durch Dr. Rolf Gutmann als Vorsitzenden und Rolf Burkert und Siegfried Kast als Beisitzer

am 7.1.2000 für Recht erkannt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Berufungsführer trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Aussergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Der Antragsteller erstrebt die Abänderung der Wertung der Begegnung der zweiten Mannschaften beider Vereine in der Kreisklasse am 10.10.1999 zu einem 8 : 0 zu seinen Gunsten, weil in der Mannschaft des Antragsgegners am 8. Brett ein Spieler mitwirkte, der beim gleichzeitigen Kampf der 3. Mannschaft des Antragsgegners in der A-Klasse an deren 8. Brett nominiert war.

Der Mannschaftsführer des Antragstellers, zugleich Turnierleiter (§ 4 Abs. 2 WTO), erfuhr schon während des Wettkampfes davon, daß dieser Spieler gleichzeitig in der A-Klasse eingesetzt wurde, bestritt sofort mündlich die Spielberechtigung und reklamierte für sich das nunmehr mit der Berufung erstrebte Ergebnis.

Der Spielleiter wertete die Begegnung in der A-Klasse als 0 : 8 verloren gegen den Antragsgegner, erklärte dem Mannschaftsführer einen Verweis und verhängte gegen den Antragsgegner eine Geldstrafe. Eine Abänderung des Ergebnisses des Wettkampfes der beiden Vereine in der Kreisklasse lehnte er ab, weil ein Spieler zwar an einem Spieltag nicht für zwei Mannschaften spielen dürfe, aber doch für eine. Die körperliche Anwesenheit des Spielers geniesse den Vorrang. Der Protest des Antragstellers wurde zurückgewiesen. Nach Auffassung des Bezirksschiedsgerichts soll die jeweils ranghöhere Mannschaft davor geschützt werden, daß ein Mannschaftsführer einer rangniederen Mannschaft wegen einer fehlerhaften Aufstellung auch die ranghöhere Mannschaft der Rechtsfolge nach § 9 Abs. 4 WTO aussetze.

Der Antragsteller wendet mit der Berufung hiergegen ein, dass nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 4 WTO ein hiergegen verstoßender Verein nicht für sich in Anspruch nehmen könne, daß die Spielberechtigung für mindestens einen Verein fortbestehe. Die Doppelmeldung vernichte vielmehr die Spielberechtigung insgesamt. Der Antragsgegner räumt ein, daß der Mannschaftsführer seiner 3. Mannschaft einen formalen Fehler begangen hat und verteidigt den Schiedsspruch.

Begründung:

Die Berufung ist rechtzeitig eingelegt. Der angefochtene Schiedsspruch wurde dem Antragsteller durch Übergabe mit Schreiben vom 13.12.1999 zugestellt. Die Berufung wurde am 20.12.1999 zur Post gegeben.

Es kann dahin stehen, ob der Protest zulässig ist. Auf der in der Akte befindlichen Kopie der Spielberichtskarte ist keine Einwendung des Antragstellers gegen das Wettkampfergebnis zu erkennen. Angemerkt sei, daß das Verbandsschiedsgerichts in seinem Schiedsspruch vom 23.7.1999 in Sachen TSV Schwaigern gg. TSV Willsbach auf die Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge einer fehlerhaften Aufstellung (§ 1 Abs. 1 b) WTO) hingewiesen hat, die zu einer Rechtsverwirkung führen kann. Auch hat der Antragsteller nicht innerhalb von 10 Tagen nach Ende des Wettkampfes beim Spielleiter die Abänderung des Ergebnisses des Wettkampfes beantragt (§ 17 Abs. 1 a) und e) Schiedsordnung). Dies spricht für den Verlust des Rechts zur Rüge dieses Rechtsfehlers.

Dem Antragsteller ist zuzugestehen, daß der Schiedsspruch des Verbandsschiedsgerichts vom 23.4.1997 in Sachen TSF Ditzingen gg. SF Königsspringer Stuttgart eine mißverständliche Wendung enthält, die für seine Rechtsbehauptung spricht. Das Verbandsschiedsgericht hatte dort einen Wettkampf, bei dem ein Spieler nicht in der Stammmannschaft, sondern als Ersatz in der höheren Mannschaft des Vereins eingesetzt worden war, zu Lasten dieses Vereins das Ergebnis der Stammmannschaft auf 0 : 8 abgeändert. In diesem Schiedsspruch wird ausgeführt:

„Eine Norm auslegen heißt, ihren Sinn zu erforschen, wobei es nicht auf den subjektiven Willen des Normgebers ankommt, der sich häufig auch gar nicht feststellen läßt. Maßgebend ist dabei der im Wortlaut der Norm objektivierte Wille des Normgebers. Ausgangspunkt der Auslegung ist zwar die Wortbedeutung selbst, indes ist auch der Bedeutungszusammenhang der Vorschrift zu beachten. Entscheidend für das Ergebnis der Auslegung ist aber grundsätzlich, dass sie sich am Normzweck orientiert. Dieser Normzweck ... geht dahin, einen doppelten Einsatz eines Spielers an einem Kalendertag zu verbieten.“

Das Verbandsschiedsgericht hält hieran fest und sieht sich durch das vorliegende Verfahren veranlaßt, noch genauer auf Sinn und Zweck der Vorschrift einzugehen. § 9 Abs. 4 WTO betrachtet ein simultanes Spielen gegen zwei Gegner als grob unsportlich. Ein simultan antretender Spieler kann keinem der beiden Kämpfe seine volle Kraft widmen und erklärt damit beiden Gegnern, daß er sie nicht als vollwertige Gegner betrachtet. Die darin liegende Herabwürdigung der gegnerischen Spieler wird mit dem Verbot des Einsatzes an einem Spieltag und gemäß § 12 Abs. 4 WTO mit dem Verlust beider Mannschaftskämpfe mit 0 : 8 geahndet.

Tritt ein in die Spielmeldung zweier Mannschaften eingetragener Spieler nur in einer der beteiligten Mannschaften an, verändert sich der Sachverhalt. Dem Kampf, in dem er antritt, kann er sich voll widmen. Ein Verdacht der Geringschätzung des Gegners wird durch das Spielen nicht begründet. Dies rechtfertigt es, für diesen Kampf die Spielberechtigung zu bejahen. In der anderen Mannschaft indes ist er zum Wettkampf aufgestellt, obwohl er nur bei Begehung einer groben Unsportlichkeit antreten könnte. Deshalb ist die Aufstellung der ganzen Mannschaft mit vollständigem Verlust des Spielergebnisses zu sanktionieren.

Dieses Verständnis rechtfertigt es weiterhin, in dem Fall der Verlegung eines Wettkampfes einer Spielrunde auf einen anderen Spieltag bei doppeltem Einsatz eines Spielers nur den späteren Einsatz als rechtswidrig anzusehen und das Mannschaftsergebnisses mit 0 : 8 zu werten. Der kalendarisch erste Einsatz des Spielers ist im dargelegten Sinn nicht unsportlich. Der erste Gegner kann nicht von einer Geringschätzung ausgehen. Doch gebietet die Chancengleichheit zu verhindern, daß über den formalen Weg einer Spielverlegung eine Aufhebung des Spielverbots erlangt wird.

Letztlich war hiernach die Auffassung des Spielleiters zu bestätigen und hat die Berufung deshalb keinen Erfolg.

§ 12 Abs. 5 Schiedsordnung verweist auf die Kostenregelung des FGG und der StPO. Nach § 13 a FGG werden in der Regel außergerichtliche Kosten nicht erstattet. Für das vorliegende Berufungsverfahren bestand kein Anlaß, von dieser Regelung abzuweichen.

Dr. Rolf Gutmann Rolf Burkert Siegfried Kast