
Referat Schiedsgericht
SV Urach - Schachkreis Reutlingen/Tübingen Spielleitung
Schiedsspruch:
in der Protestsache des SV Urach gegen den Schachkreis
Reutlingen/Tübingen Spielleitung
des Bezirksschiedsgerichts (BSG) des Schachbezirks Neckar-Fils vom 11. August
1999
Ohne mündliche Verhandlung wurde wie folgt entschieden:
1. Dem Protest wird dem Grunde nach stattgegeben.
2. Die zurückliegende Saison (1998/99) wird durch diese Entscheidung
nicht berührt.
3. Die Protestgebühr in Höhe von 50.- DM wird dem SV Urach
zurückerstattet.
4. Der Bezirk Neckar/Fils trägt die Kosten des Verfahrens, die pauschal
mit 40.- DM angegeben werden.
Tatbestand:
Mit Rundschreiben vom 07.10.1998 gibt der Staffelleiter der Kreisklasse
bekannt, daß die Sfr. Lichtenstein an Brett 4 den Spieler Rüger
nachgemeldet haben. Damit würden die bisherigen Spieler ab Rang 4
jeweils um einen Platz zurück rücken und die bisherige Rang Nr.16,
Helmut Baisch, gestrichen. Gleichzeitig sei, sofern im Vorfeld Einspruch
gegen diese Praxis eingelegt sei, dieser als unbegründet
zurückgewiesen, mit der Begründung, daß diese Handlungsweise
der seit Jahren bestehenden Praxis entspräche. Mit Schreiben vom
15.10.1998 richtete der Antragsteller seinen Einspruch gegen diese
Vorgehensweise.
In der Entscheidung vom 29.10.1998 wird dieser Einspruch vom Antragsgegner
als unbegründet zurückgewiesen - wiederum mit der zusammenfassenden
Begründung, daß die angegriffene Entscheidung der gängigen
Praxis entspräche.
Hiergegen richtet sich nun der Protest des Antragstellers, der am 7.11.1998
frist- und formgerecht eingereicht wurde. Er hat zum Ziele Rechtsklarheit und
Rechtssicherheit zu schaffen hinsichtlich der Bestimmungen des § 9 WTO
insbesondere § 9 Abs. 2 Satz 2 WTO.
Der Antragsgegner äußert sich per Schreiben vom 18.12.1999. Er
trägt vor, daß die WTO bei einer Nachmeldung nicht verlange den
Spieler zu streichen, an dessen Brett die Nachmeldung erfolgen solle. Ein
Zurückrücken sei keine Ummeldung. Eine Ummeldung sei lediglich das
Tauschen der Bretter, wenn dadurch die Rangfolge geändert
würde.
Der Mannschaftsführer der Sfr Lichtenstein wird 5.8.1999 noch zur Sache
gehört.
Begründung
Beide Parteien betonen in weiterer Anhörung, daß es Ihnen weniger
um den Einzelfall Lichtenstein gehe, sondern vielmehr um eine Klärung
allgemein. Weil dies von Bedeutung für das gesamte Verbandsgebiet ist,
verwies das BSG am 10.02.1999 die Sache zur Entscheidung an das
Verbandsschiedsgericht. Zwischenzeitlich wurde auf dem Verbandstag eine neue
Fassung der WTO verabschiedet und auch ein neuer Vorsitzender des
Verbandsschiedsgerichts gewählt. Auf Hinweis vom Verbandsschiedsgericht
entscheidet nun das BSG.
Regelmäßig zu jeder neuen Saison ist zum Stichtag 31.August (Ende
des Spieljahres, vgl. § 1 Abs. 8 WTO) die Mannschaftsmeldung bei der
zuständigen Spielleitung abzugeben. Jede Mannschaft besteht aus acht
Spielern und bis zu acht Ersatzspielern in festgelegter Reihenfolge, § 9
Abs. 1 Satz 1 WTO. Diese abgegebene Mannschaftsmeldung hat für das
gesamte Spieljahr (01.09. - 31.08.) Geltung und darf grundsätzlich nicht
verändert werden. Um Härtefällen Rechnung tragen zu
können sind jedoch unter bestimmten Voraussetzungen Streichungen und
Nachmeldungen erlaubt. Z. B. wenn nach der Mannschaftsmeldung Spieler aus
beruflichen oder privaten Gründen dem Verein nicht mehr zur
Verfügung stehen; neue oder bislang inaktive Spieler "in die Bresche"
springen und das frei gewordene Brett besetzen. Es ist zwar richtig,
daß die WTO nicht fordert, den Spieler des Brettes zu streichen, auf
dem nachgemeldet werden soll. Hier verkennt der Prozeßgegner den Zweck
der Ausnahmebestimmungen der Streichung und der Nachmeldung. Bei der
Begriffsdefinition der Nach- und Ummeldung schließt sich das BSG der
ausführlichen Definition des Protestführers an:
Nachmeldung ist die Anmeldung eines generell spielberechtigten
Spielers der seine zwei speziellen Spielberechtigungen noch nicht
ausgeschöpft hat.
Ummeldung ist die Abmeldung eines generell spielberechtigten Spielers
mit dem Ziel, ihn an anderer Stelle der Rangfolge dieses Vereins wieder
anzumelden. Dabei ist unter Rangfolge die Reihung aller Spielpositionen von
der ersten bis zur letzten Mannschaft zu verstehen. Die Ab- und Anmeldung
muß hierbei zeitlich nicht zusammenfallen.
Bei der Streichung ist die neue Fassung der WTO zu
berücksichtigen:
Streichung ist die Abmeldung eines speziell spielberechtigten
Spielers, der noch keinen Mannschaftskampf in der betreffenden Mannschaft
bestritten hat. Wobei auch der kampflose Gewinn bzw. Verlust einen
bestrittenen Mannschaftskampf darstellt.
Beliebig im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, daß eine legale
Nachmeldung nicht nur "hinten anschließen" darf, sondern daß,
wenn eine legale Streichung erfolgt ist, auch ein solches, frei gewordenes
Brett für eine Nachmeldung zur Verfügung steht.
Das andere Benennen der Ummeldung in "Zurückrücken", "rutschen"
oder ähnliches ändert nichts an der Unstatthaftigkeit solchen Tuns.
Durch dieses "nach hinten rutschen" würde die Bestimmung, daß ein
zu tief eingesetzter Spieler seine Partie verloren hat (§ 12 Abs. 3 Satz
2 WTO) aushebeln. Dieses nach Rangfolge zu tief spielen richtet sich nach der
zu Beginn der Saison abgebenen Rangfolge der Mannschaftsaufstellung.
Das BSG will diese Entscheidung aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht
auf die Vergangenheit angewendet wissen. Die betroffenen Vereine haben darauf
vertraut, daß die zuständigen Spielleitungen mit der Genehmigung
der Nachmeldung und dem "Zurückrücken" für eine legale
Spielberechtigung gesorgt hätten. Nun sind aber die Spielleitungen
gefordert die unstatthaften Ummeldungen, auch wenn diese anders benannt
werden, zu unterbinden.
Um einer künftigen Fehlinterpretation des § 9 WTO vorzubeugen,
empfiehlt das BSG, den § 9 Abs. 2 Satz 3 WTO wie folgt zu
ändern:
"Die Nachmeldung eines spielberechtigten Spielers kann an beliebiger Stelle
der Rangfolge erfolgen, sofern diese Stelle unbesetzt ist oder diese Stelle
durch Streichung des Spielers, der diese Stelle einnimmt, frei wird."
Rechtsmittel
Gegen diese Entscheidung ist innerhalb von 10 Tagen das Rechtsmittel der
Berufung zulässig. Hierbei ist § 13 der Schiedsordnung zu
beachten.
Bernd Stephan
Stefan Auch
Axel Eisengräber - Pabst