Bereitstellung eines geeigneten Spiellokals

Veröffentlicht am: 30.06.2019 von Holger Schröck in: Schiedsgericht » Urteile Drucken

Schiedsspruch

In Sachen

Heilbronner Schachverein e.V.
vertreten durch den 1. Vorsitzenden
– Protestführer –
gegen
SK Bebenhausen 1992 e.V.
vertreten durch den Präsidenten
– Protestgegner –

wegen: Bereitstellung eines geeigneten Spiellokals

hat das Verbandsschiedsgericht des Schachverbands Württemberg am 09.02.2019 durch den Vorsitzenden Alexander Häcker, den stellvertretenden Vorsitzenden Alfred Debus und den Beisitzer Dietrich Noffke entschieden:

  1. Der Protest wird zurückgewiesen.
  2. Der Protestführer trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Sachverhalt:

Am 08.12.2018 empfing um 14 Uhr der Protestgegner den Protestführer zur 3. Runde der Jugendbundesliga Süd (zuvor: BW-Jugendliga), das erspielte Ergebnis lautete 4,5:1,5. Der Protestgegner hatte tags zuvor per E-Mail mitgeteilt, dass die Begegnung im Ausweichspiellokal „Salzstadel“ in Tübingen stattfindet, wo im 2. Stock gespielt wurde. Im 1. Stock (= Erdgeschoss) des 3-stöckigen Salzstadels fand bereits ab 10 Uhr eine Begegnung der Württembergischen Seniorenmannschaftsmeisterschaft zwischen dem SV Tübingen und den Stuttgarter SF 2 statt. Der Protest stützt sich auf Lärmbelastungen durch einen Tanzverein, der regelmäßig an Wochenenden im 3. Stock des Salzstadels übt. Die Parteien schildern den Ablauf folgendermaßen:

Nach Darstellung des Protestführers setzten wenige Minuten nach Spielbeginn extrem laute Musik und Tanzgeräusche im 3. Stock ein. Auf die Beschwerde eines Spielers des Protestführers habe die Mannschaftsführerin des Protestgegners mit der Leiterin der Tanzgruppe gesprochen. Danach habe sich die Lautstärke nur vorübergehend normalisiert. Weitere Gespräche führten wohl dazu, dass der Bass ausgeschaltet worden sei. Die Störungen hätten aber nach kurzer Pause bis zum Ende des Mannschaftskampfs angehalten und in der Zeitnotphase ab etwa 17 Uhr sogar noch zugenommen. Auf die zwischenzeitliche Nachfrage der Mannschaftsführerin, ob die Lautstärke nun in Ordnung sei, habe der Spieler des Protestführers geantwortet: „Ja eigentlich nicht, aber es muss wohl!“ Einen Wechsel des Spielorts habe der Protestgegner zu keiner Zeit vorgeschlagen. Durch diese unzumutbare Belastung seien sämtliche Spieler in ihrer Konzentration gestört worden. Der Protest sei eine Stunde vor Ende des Mannschaftskampfes angekündigt worden und wurde am Ende auf dem Spielbericht vermerkt. Da der Protestgegner angesichts der Lärmbelastungen kein geeignetes Spiellokal zur Verfügung gestellt habe, sei die Begegnung mit 0:6 (kampflos) zugunsten des Protestführers zu werten./p>

Der Protestgegner berichtete, dass die Musik um 14:20 Uhr für etwa 15 Minuten zu hören gewesen sei und um 15:15 Uhr nochmals für 15 Minuten. Die Musik habe aber nicht besonders gestört. Der Mannschaftskampf im 1. Stock sei gegen 14:30 Uhr beendet gewesen. Die Mannschaftsführerin des Protestgegners habe daher um 15:20 Uhr von sich aus dem gegnerischen Spieler angeboten, den Mannschaftskampf in den 1. Stock zu verlegen. Darauf habe dieser erwidert: „Es geht schon.“ Spieler des Protestführers hätten sich zu keiner Zeit über die Lautstärke beschwert, sondern nur deren Betreuer, welcher selbst durch laute Unterhaltungen aufgefallen sei. Im Übrigen sei der Verlauf unauffällig gewesen.

Die Spielleiterin der Jugendbundesliga Süd lehnte den Einspruch des Protestführers mit E-Mail vom 12.01.2019 ab. Zwar habe kurz nach Spielbeginn Musik eingesetzt, die Mannschaftsführerin des Protestgegners habe sich aber um eine Lösung bemüht, indem sie mit der Leiterin der Tanzgruppe gesprochen und eine Verlegung des Mannschaftskampfs in den 1. Stock angeboten habe. Die Spielleiterin teilte mit, dass gegen ihre Entscheidung bis zum 25.01.2019 Protest beim Verbandsschiedsgericht eingelegt werden könne.

Mit seinem Protest per E-Mail vom 23.01.2019 vertiefte der Protestführer seinen Vortrag. Das Bemühen der Mannschaftsführerin habe nicht ausgereicht. Der Protestgegner hätte weiteren Lärm sofort unterbinden müssen. Dass die Tanzgruppe regelmäßig samstags und sonntags im Salzstadel übe, sei dem Protestgegner bekannt gewesen. In der E-Mail vom 07.12.2018 sei aber kein Hinweis darauf erfolgt.

Mit E-Mail vom 27.01.2019 gab das Verbandsschiedsgericht den Parteien Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme und wies darauf hin, dass es nach erster Einschätzung unter anderem darauf ankomme, ob die Anwesenheit der Tanzgruppe im Voraus bekannt war, ob die Möglichkeit eines Umzugs in den 1. Stock beiden Mannschaften bekannt war und welche Personen (namentlich) wann ungefähr und auf wessen Initiative welche Lösungsmöglichkeiten diskutierten.

Der Protestgegner erwiderte daraufhin, ihm sei die Anwesenheit der Tanzgruppe nicht bekannt gewesen, da das Salzstadel nur das Ausweichspiellokal sei. Sämtliche anwesende Spieler und Betreuer hätten vom dem Senioren-Mannschaftskampf im 1. Stock gewusst, da man beim Betreten des Salzstadels aufgrund der komplett aus Fenstern bestehenden Fassade unweigerlich hineinschauen würde. Im Übrigen vertiefte der Protestgegner seinen Vortrag, unter anderem habe die Tanzgruppe gar keinen Bass.

Der Protestführer legte – trotz nochmaligem Hinweis des Verbandsschiedsgerichts auf die E-Mail vom 27.01.2019 – lediglich eine ergänzende Stellungnahme seines anwesenden Betreuers vor, die sich im Wesentlichen mit dessen Verhalten befasste.

Das Verbandsschiedsgericht bat zusätzlich die beiden Mannschaftsführer der Seniorenmannschaften des SV Tübingen und der Stuttgarter SF 2 um Auskunft, ob sie im 1. Stock oder im Treppenhaus Musik gehört hatten. Beide antworteten, dass sie am 08.12.2018 zu keiner Zeit im Salzstadel Musik gehört hatten und gegen 14 Uhr das Spiellokal verließen. Der Tübinger Mannschaftsführer teilte außerdem mit, dass der SV Tübingen das Salzstadel seit 1977 als Spiellokal nutze. Eine wesentliche Störung oder Beschwerden habe es nie gegeben. Ihm selbst sei im Voraus nicht bekannt gewesen, dass an diesem Samstag eine Tanzgruppe anwesend sein würde.

Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Protest ist zulässig, aber nicht begründet.

I.
Die Zuständigkeit des Verbandsschiedsgerichts und die Anwendbarkeit der Schiedsordnung ergeben sich aus § 7 der Gemeinsamen Wettkampfordnung der Schachjugend Baden und der Württembergischen Schachjugend (GWO). Der Protest ist als fristgerecht eingelegt anzusehen. Zwar beträgt die Protestfrist gemäß § 17 Abs. 3 lit. a) SchiedsO 10 Tage ab Bekanntgabe der Entscheidung der Spielleiterin vom 12.01.2019, sie endete also mit Ablauf des 22.01.2019. Der Protest vom 23.01.2019 – maßgeblich ist gemäß § 6 Abs. 1 der Satzung des Schachverbands Württemberg jeweils der Eingang per E-Mail – wäre somit verfristet. Da die Entscheidung allerdings eine unzutreffende Frist bis zum 25.01.2019 nannte, durfte der Protestführer auf diese Angabe vertrauen.
II.
Der Protest ist aber nicht begründet. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass das Salzstadel ein geeignetes Spiellokal war, jedenfalls fehlt es zum Nachweis des Gegenteils an konkretem Vortrag des Protestgegners.
  1. Der Protest stützt sich auf § 8 Abs. 1 GWO. Danach gehört zu den Pflichten des gastgebenden Vereins die „Bereitstellung eines geeigneten Spiellokals mit ausreichender Heizung, Beleuchtung, Belüftung und Verpflegung“. Der Protestführer geht zurecht davon aus, dass – obwohl nicht ausdrücklich erwähnt – ein Spiellokal auch dann nicht geeignet ist, wenn übermäßiger Lärm kein konzentriertes Schachspielen zulässt. Dass die Musik der Tanzgruppe – zumindest zeitweise – im darunter gelegenen Spielsaal zu hören war, ist unstreitig. Zu Dauer und Lautstärke tragen die Parteien jedoch gegensätzlich vor. Dem Protestführer ist zuzugeben, dass ihm ein konkreter Nachweis der Lautstärke naturgemäß nicht (mehr) möglich ist. In Aussage-gegen-Aussage-Fällen wie hier kann es daher erforderlich sein, zur Überzeugungsbildung des Schiedsgerichts die beteiligten Personen persönlich anzuhören. Das Verbandsschiedsgericht geht aber aus folgenden Gründen davon aus, dass dies vorliegend nicht erforderlich war und zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte:
  2. Zunächst ist zu beachten, dass der gastgebende Verein nicht verschuldensunabhängig für jede Störung haftet. Gemäß § 8 Abs. 3 GWO gehen „Schwierigkeiten, die sich aus der Vernachlässigung dieser Pflichten ergeben… immer zu Lasten des gastgebenden Vereins“. Zum einen ergibt sich daraus, dass nicht jeder Verstoß gegen § 8 Abs. 1 GWO zu einer vollständigen Verlustwertung des Mannschaftskampfes führen muss (beispielsweise bei fehlender Verpflegung). Zum anderen müsste der gastgebende Verein Pflichten „vernachlässigt“ haben, ihm muss also ein Verschulden vorgeworfen werden können. Beruht eine Störung auf höherer Gewalt, allgemeinem Lebensrisiko oder war sie für den Gastgeber selbst bei größter Sorgfalt nicht vorhersehbar, so kann ihm allein daraus kein Nachteil entstehen. Vielmehr kommt es in solchen Fällen darauf an, ob der Gastgeber alle zumutbaren Mittel ergreift, um das Problem zu lösen. Hier spricht vieles dafür, dass die Anwesenheit der Tanzgruppe dem Protestgegner im Voraus tatsächlich unbekannt war. Denn das Salzstadel ist lediglich sein Ausweichspiellokal, sodass dem Protestgegner regelmäßige Übungseinheiten der Tanzgruppe nicht bekannt sein mussten. Außerdem teilte der Mannschaftsführer des SV Tübingen als „neutraler“ Zeuge mit, dass selbst er nichts von der Anwesenheit der Tanzgruppe am 08.12.2018 wusste. Eine Vernachlässigung von Pflichten des Protestgegners ist daher insoweit nicht erkennbar.
  3. Weiter ist nicht erkennbar, wie die Forderung des Protestführers, „sofortige Unterbindung weiteren Lärms“, hätte umgesetzt werden können. Offenbar durfte der Tanzverein zeitgleich im Salzstadel üben, darüber hinaus stand dem Protestgegner kein „Hausrecht“ zu, das er hätte durchsetzen können. Sinnvolle Erstmaßnahme war zweifellos das Gespräch mit der Leiterin der Tanzgruppe (auf wessen Initiative auch immer), das – insoweit streitig – wohl nur teilweise Erfolg brachte. Falls die Lautstärke so hoch gewesen wäre, dass eine sinnvolle Fortsetzung des Mannschaftskampfs schlicht unmöglich war, kam als letztes Mittel gegebenenfalls ein (mangels objektivem Schiedsrichter vor Ort: einvernehmlicher) Abbruch nebst Neuansetzung in Betracht. In einem solchen Fall könnten Mehrkosten gemäß § 8 Abs. 3 GWO zu Lasten des gastgebenden Vereins gehen. Davon ist zwar im Vortrag der Parteien nicht die Rede. Dieses Extrembeispiel zeigt aber, dass ein Gastgeber bei der Lösung von Problemen auch auf die Mitwirkung der gegnerischen Mannschaft angewiesen sein kann und sei es nur durch rechtzeitige Beschwerden (was hier freilich streitig ist). Wirkt eine Gastmannschaft bei der Suche nach einer Lösung nicht mit, kann der Gastgeber das unter Umständen so auffassen, dass sie die Spielbedingungen noch für „geeignet“ hält.
  4. Für das Verbandsschiedsgericht ist nicht nachvollziehbar, warum kein Umzug des gesamten Mannschaftskampfs in den 1. Stock erfolgte. Dies wäre wohl ohne größere Schwierigkeiten innerhalb weniger Minuten möglich gewesen, zumal zum Zeitpunkt des Auftretens des Lärms der andere Mannschaftskampf im 1. Stock beendet war. Dem widerspricht auch der Protestführer nicht. Er trägt lediglich vor, dass der Protestgegner dies nicht angeboten habe (was streitig ist). Allerdings geht das Verbandsschiedsgericht aufgrund der nachvollziehbaren Beschreibung des Salzstadels durch den Protestgegner davon aus, dass sämtliche Anwesende bei Betreten des Salzstadels sahen, dass im 1. Stock ebenfalls Schach gespielt wurde und ein Umzug somit denkbar war. Der Protestführer hat trotz ausdrücklicher Nachfrage des Verbandsschiedsgerichts nichts Abweichendes vorgetragen. Es erscheint aber lebensfremd, dass kein einziger der 12 Spieler (zuzüglich Betreuer) den Umzug vorgeschlagen hätte, wenn die Lärmbelastungen tatsächlich den in der Protestbegründung geschilderten Umfang erreichten. Jedenfalls war es den Spielern des Protestführers angesichts der bekannten Möglichkeit eines Umzugs zumutbar, diesen selbst anzuregen. Da dies nicht erfolgt ist, durfte der Protestgegner die Aussage „Ja eigentlich nicht, aber es muss wohl!“ unter diesen Umständen so auffassen, dass eine Fortsetzung des Mannschaftskampfes akzeptiert wird (vgl. die Ausführungen zu einer Mitwirkungsobliegenheit der Gastmannschaft unter II. 3.).
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 12 SchiedsO.
Alexander Häcker
Alfred Debus
Dietrich Noffke