Klaus Darga wird 90!

Veröffentlicht am: 24.02.2024 von Karlheinz Vogel in: Presse und Öffentlichkeitsarbeit Drucken

Das ist einerseits einfach und andererseits schwierig: Klaus Darga wird bei der FIDE als inaktiv geführt – seine letzte gewertete Partie liegt 25 Jahre zurück. Unter rein schachlichen Gesichtspunkten könnte man die Laudatio zu seinem 80. Geburtstag 1:1 nachdrucken.

Wie kann eine Annäherung funktionieren, wenn man den zu Ehrenden nicht persönlich kennt? Eine Möglichkeit ist, was es sonst noch in der Presse gibt. Dr. Pfleger, der im letzten Jahr seinen 80. Geburtstag feierte, ehrte am 24. Januar in seiner Schachspalte im Zeit Magazin Hans-Joachim Hecht anlässlich seines 85 Geburtstags, der am 29. Januar statt fand und kündigte Klaus Dargas 90. auf den 24. Februar an. Bei Chessbase gibt es dazu einen ausführlicheren Bericht von André Schulz mit Bildern.
Des Weiteren kann man Datenbanken und Ergebnisdienste durchforsten und so heraus finden, dass er - bei insgesamt drei Teilnahmen - zweimaliger Deutscher Meister war: Darga gewann 1955 in Franfurt Höchst und 1961 in Bad Pyrmont.

Eines meiner ersten Schachbücher waren die Entscheidungspartien von Ludek Pachman. Inhaltlich erstreckte es sich vom Turnier in Baden-Baden 1870 bis zum Kandidatenturnier 1971. Im Kapitel über das 2. Capablanca Memorial von 1963 spielten neben den drei sowjetischen Großmeistern Tal, Kortschnoi und Geller – das Wort Super-GM war noch nicht erfunden – noch weitere acht Großmeister mit. Damals gab es so um die 60 Großmeister, die sich fast alle noch persönlich kannten. Ihre Anzahl der stieg weltweit von 23 im Jahr 1950 auf 88 im Jahr 1972.

Es gab noch keine ELO-Zahlen, die FIDE hatte aber Regelungen, die Qualifikationskriterien für Titel vorgaben. Grob umrissen musste man in einem Turnier mit einem entsprechend starken GM-Feld eine bestimmte Leistung erbringen und diese Norm dann in einem weiteren Turnier bestätigen. In diesem Fall sah dass so aus, dass Klaus Darga in der letzten Runde in Havanna unbedingt gewinnen musste, um sich endgültig Großmeister nennen zu dürfen. Es ging gegen den Kolumbianer Boris de Greiff, zwar einen nominell schwächeren Gegner, aber dafür mit Schwarz. Die Kommentare zu Klaus Dargas "Entscheidungspartie" orientieren sich an Pachmans Einschätzungen.

Damit wurde Klaus Darga in den exklusiven Kreis der Großmeister aufgenommen. Aber das war nur die eine Hälfte der Geschichte: Erst mit dem Jungfernflug einer B 707 am 26.10.1958 waren Interkontinentalreisen in einer Form möglich, wie wir sie heute kennen. Zuvor lag die maximale Entfernung, die ein Flugzeug NonStop zurück legen konnte, bei 4000 km. Das machte die ganz im Westen Irlands liegende und erst nach dem Krieg gegründete Stadt Shannon zu einem der größten Flughäfen in Europa. Nächster Stopp ist Gander in Neufundland. Und bei einer Reise nach Kuba durfte keinesfalls US-Territorium überflogen werden – zur Erinnerung: der Höhepunkt der Kubakrise war im Oktober 1962. Das erklärt zwanglos, warum Reisen damals ein Abenteuer war. Heute ist Fliegen bequem - das Spannungsfeld liegt zwischen Flugscham und Billigflieger.

Auch schachlich lief vieles anders als heute: Partien wurden abgebrochen, der Abgabezug kam in einen versiegelten Umschlag und da sind wir schon beim Interzonenturnier in Amsterdam 1964. Da wurden 6 Plätze fürs Kandidatenturnier ausgelobt. Aber das waren nicht die ersten sechs der Abschlusstabelle. Ein Land durfte maximal drei Kandidaten stellen, aber nur der Däne Bent Larsen konnte sich in die Phalanx der fünf sowjetischen Großmeister schieben, so dass Platz 8 für nichtsowjetische Teilnehmer noch für eine Qualifikation ausreichte. Darga kam gleich in der ersten Runde gegen Spassky und konnte nach zweimaligem Abbruch gewinnen! [Das Diagramm beginnt erst nach Zug 43, aber man kann die Partie auch vollständig nachspielen.]

Kurz vor dem Ende des Turniers lag Darga immer noch aussichtsreich im Rennen, bis ihn eine Niederlage gegen Levente Lengyel zurückwarf. In der Partie stand er lange unter Druck. Nach dem Abgabezug 40. .. Te6 ist 41. Kf2 - siehe Diagramm - erzwungen. Aber dann opferte Lengyel zu optimistisch mit T6xe2+? eine Qualität – aber Darga "glaubte" ihm und gab auf. Nach 42. Txfe2 Lxh4+ entkommt der weiße König mit 43. Ke3 und dann sagt die Engine +1,5, also ein für einen Gewinn ausreichenden Vorteil unter Großmeistern. Sein Sieg in der Schlussrunde wurde dadurch entwertet, dass auch die direkte Konkurrenz voll punkten konnte. Statt eines Dreikampfs um Platz 8 gab es so lediglich einen Stichkampf um den letzten freien Platz fürs Kandidatenturnier zwischen Reshevsky und Portisch. Dabei setzte sich Lajos Portisch mit zwei Siegen bei einem Remis klar durch.


die Abschlusstabelle des Interzonenturniers Amsterdam 1964, aus Wikipedia

Bei den historischen ELO-Zahlen des Jahres 1964 war Klaus Darga auf Platz 24 gelistet. Im gleichen Jahr kam Klaus Darga beruflich nach Stuttgart/Sindelfingen und nahm eine Stelle bei IBM Deutschland an, die er bis zu seiner Pensionierung inne hatte. Trotzdem wurde er 1970 im ersten Wettkampf UdSSR gegen den Rest der Welt in die Weltauswahl berufen. Wikipedia schreibt ganz knapp, dass er nicht zum Einsatz kam. Die ausführliche Version lautet so: nach zwei Niederlagen bei einem Remis von Wolfgang Uhlmann gegen Mark Taimonow hätte Darga in Runde vier statt Uhlmann spielen sollen. Uhlmann bat Darga, ob er es nochmals versuchen dürfe, spielte und gewann die vierte Partie. Obwohl Larsen und Fischer an Brett 1 und 2 gegen Spassky (Runde 4 Stein) und Petrosian gewannen, siegte die Sowjetunion knapp mit 20,5:19,5. Übrigens: für seine Zeit als Schachbundestrainer 1989 bis 1997 Uhr wurde Darga von der IBM beides: bezahlt und freigestellt.

Georg Eppinger, sein ehemaliger Mannschaftskollege aus der gemeinsamen Bundesligazeit mit dem VfL Sindelfingen hält immer noch Kontakt und so gibt es doch noch ein paar Neuigkeiten: dass Klaus Darga noch drei Duzfreunde aus seiner Schachzeit hat: je einen im Alter von 85, 80 und 75 Jahren. Hier ein Foto vom 12. Februar dieses Jahres, als ihn mit Georg Eppinger der jüngste Duzfreund sowie der ehemalige SVW-Präsident Dr. Hans Ellinger in seinem Haus in der Nähe von Stuttgart besuchen konnten.


v.l.n.r.: Dr. Hans Ellinger, Klaus Darga, Georg Eppinger, Foto mit freundlicher Genehmigung von Georg Eppinger

Lieber Herr Darga,

auch vom Schachverband Württemberg die besten Wünsche! Bleiben Sie noch lange gesund und fit!
Alles Gute zu Ihrem 90. Geburtstag!