„Turniere spielen, Turniere spielen, Turniere spielen …“

Veröffentlicht am: 10.07.2012 von Holger Schröck in: Infos und Hintergründe Drucken

Neue Breitenschach-Turnierserie im SVW

Auf der erweiterten Präsidiumssitzung des Schachverbands Württemberg im Juni 2012 wurde seitens der Mitgliederverwaltung durch Werner Dangelmayer und Holger Schröck noch einmal deutlich herausgearbeitet, dass es im SVW statistisch eine nennenswerte Gewinnung von Neu-Mitgliedern in den Vereinen nur im Kindes- und Jugendalter gibt. Damit wurde auch auf dieser Ebene noch einmal die Wichtigkeit der Nachwuchsarbeit unterstrichen. Jeder, der mit Kindern arbeitet, der weiß sehr gut, dass angesichts von steigendem Freizeitangebot und sinkenden Kinderzahlen das Pflänzchen Motivation sehr sensibel ist und immer wieder neue Anreize braucht.

Wenn man im Detail die Spielstärke-Entwicklung der U10-Kinder in Deutschland und die Vereinsstrukturen in den einzelnen Landesverbänden analysiert, wird deutlich, dass der Schachverband Sachsen allen anderen Landesverbänden ein Stück weit voraus ist. Das ist das Ergebnis der zehnjährigen Arbeit von Oswald Bindrich (Vater von GM Falko Bindrich) als Referent für Leistungssport in Sachsen und zugleich sein Verdienst. Sein Erfolgsrezept im Nachwuchsschach lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Altersmäßig möglichst sehr früh mit Schach anfangen,
  2. viel Taktik-Training zu Hause,
  3. Trainingsarbeit mit möglichst guten Trainern,
  4. Turniere spielen, Turniere spielen, Turniere spielen und
  5. ständiger Kontakt und regelmäßige Gespräche mit den Eltern.

Unabhängig von der Spielstärke, nur wenn Kinder Spaß am Schach haben, haben sie Lust auf noch mehr Schach. Für die langfristige Bindung ist es wichtig, dass aus dem Spaß am Schach die Liebe zum Schach wird.

Wo sind denn Turniere für Kinder?

Wer aufmerksam in alten Jahrgängen der Rochade-Württemberg nach alters- und leistungsgerechten Turnierangeboten Kinder und Jugendliche sucht, der stellt fest, dass es fast ausschließlich aus Jugend-Grandprix-Turnieren bestand. Was hat der Anfänger davon, wenn er in so einem Turnier auf den U10-Bezirksmeister trifft, und sang- und klanglos die Partie verliert. Was hat der U10-Bezirksmeister davon, wenn er jede Partie ohne Anstrengung gewinnt, und ihm niemand Paroli bieten kann? Kinder brauchen Kinder, aber in ihrem Alter und auf ihrem Niveau.

Basierend auf der Analyse dieser Situation wurden im Herbst 2010 erstmals die Stuttgarter Kreisjugend-Pokalturniere ausgerichtet. Dahinter verbargen sich in den Altersklassen U10 und U12 offen ausgetragene Kreisjugend-Einzelmeisterschaften in den drei Stuttgarter Kreisen. Durch geschickte Terminkoordination ergaben sich viele Spielmöglichkeiten in der Region Stuttgart und jedes Kind, das die Alterskriterien erfüllt, kann daran teilnehmen. Die zweite Neuerung bestand im Modus, an einem Tag fünf Runden Schweizer System bei einer Bedenkzeit von 60 Minuten pro Partie und Spieler und DWZ-Auswertung zu spielen. Das Aufschreiben der Partien und die Möglichkeiten der Analyse, dass die Kinder aus ihren Fehlern lernen können, eröffnete zusätzlich neue Perspektiven.

Auf Basis der positiven Erfahrungen aus den ersten fünf Turnieren mit 110 Teilnehmern wurde aus den Bezirken Unterland und Stuttgart gemeinsam der Antrag gestellt, eine Turnierserie unter dem Namen Württembergische Jugend-Pokalturniere in die Spielordnung der WSJ aufzunehmen. Diesem Antrag folgte der Verbandsjugendtag im Februar 2011.

Ein Jahr Württembergische Jugend-Pokalturniere

Ein Jahr später, im Herbst 2011 waren aus fünf Stuttgarter Kreisjugend-Pokalturnieren sechs geworden, und die Teilnehmerzahl stieg auf 184. Zugleich waren das die ersten sechs Württembergischen Jugend-Pokalturniere. Zur Premiere ließ es sich Bezirksleiter Wolfgang Tölg nicht nehmen, beim U12-Turnier bei den Stuttgarter Schachfreunden die Bretter der Kids freizugeben. Unter den Teilnehmern waren nicht nur Kinder aus allen Bezirken des SVW, auch Kinder aus Baden und aus der Region Nürnberg nahmen mit ihren Eltern mehrfach weite Anreisewege auf sich.

Diese positive Resonanz setzte sich fort. Bei der Premiere der Württembergischen Jugend- Pokalturniere im Bezirk Unterland stießen die Schachfreunde aus Heilbronn-Biberach parallel zum 2. Biber-Cup Ende März an die Grenzen ihre räumlichen Kapazitäten. Zu Himmelfahrt richten die Schachfreunde in Tamm ihr traditionelles Kinder-und Jugend-Turnier zweigeteilt aus, zum 26. Jugend-Grandprix-Turnier kam ein erstes Württembergisches Jugend- Pokalturnier hinzu, und konnte so die Teilnehmerzahl steigern. Ende Juni wurde auch das Jugendturnier in Altbach im Bezirk Neckar-Fils in der U12 als Württembergisches Jugend- Turnier ausgerichtet. Besonders erfreulich sind natürlich die Neueinsteiger unter den Ausrichtern. Die Schachfreunde aus Spaichingen im Bezirk Alb-Schwarzwald und aus Laichingen im Bezirk Oberschwaben sorgten Mitte Juni und Anfang Juli dafür, dass es in der Premieren-Saison insgesamt elf Württembergische Jugend-Pokalturniere gab.

Wenn zur Siegerehrung glückliche Kinderaugen strahlen und Organisatoren der Meinung sind „Das machen wir nächstes Jahr wieder …“, dann ist auf allen Seiten die Zufriedenheit da und auf allen Seiten ein Stück Motivation gewachsen – weiter so!

Aus Kindern werden Jugendliche

Die Württembergischen Jugend-Pokalturniere sind für U12-Kinder konzipiert, denn die DSB-Wertungsordnung lässt nur bis zu dieser Altersklasse die DWZ-Auswertung mit einer Bedenkzeit von 60 Minuten pro Partie und Spieler zu. Welche Turniere mit DWZAuswertung können wir Kindern oberhalb der U12 anbieten? Es sind die mehrtägigen Open. Wie wird es einem 12jährigen Kind ergehen, wenn es mit einer Spielstärke von 1100 DWZ an einem Open teilnimmt? Selbst in der untersten Gruppe gibt es im Schweizer System zunächst mal die Duelle David gegen Goliath. Trübe Aussichten also für einen 12jährigen und seine Motivation. Es drohen Tage mit Niederlagen vor einem ersten Erfolgserlebnis. Hinzu kommen die schulischen Anforderungen insbesondere aus dem G8, so dass von den Eltern eintägige Turniere ohne Übernachtung klar präferiert werden.

Württembergische Amateurmeisterschaft

Eines der unbestritten erfolgreichsten Turniere des Deutschen Schachbundes ist die Deutsche Amateurmeisterschaft. Dieser Turnierserie zugrunde liegt der Gedanke zugrunde, dass jeder in seiner Spielstärke-Gruppe nominell eine Chance auf Erfolg haben soll. Das Starterfeld wird quasi in sechs Open-Turniere unterteilt. Die Teilnehmerzahlen und die ausgebuchten Turniere der 6³-Serie sprechen eine deutliche Sprache.

Wie wäre so ein Breitenschach-Turnierkonzept eintägig mit DWZ-Auswertung umsetzbar?

Gemäß der aktuellen DSB-Wertungsordnung sind für die DWZ-Auswertung 90 Minuten pro Partie und Spieler vorgeschrieben. Das bedeutet, es lässt sich eintägig ein Turnier mit drei Runden austragen. Also zerlege man das Starterfeld eines Opens gemäß Startrangliste in Viergruppen und spiele Rundenturniere. Innerhalb jeder Vierergruppe begegnen sich alle Kontrahenten praktisch auf Augenhöhe, so dass jeder Spieler in seiner Gruppe reale Erfolgschancen hat. Indem man eine Turnierserie mit einer offenen Anzahl von Turnieren zulässt, kann überall Württembergische Amateurmeisterschaft gespielt werden.

Kinder, die regelmäßig trainieren und Turniere spielen, erzielen einen Spielstärke-Zuwachs von 100…150 DWZ-Punkten pro Jahr. Um ihnen eine Herausforderung zu bieten, und diese Entwicklung vorwegnehmen zu können, erhalten Jugendliche U18 einen DWZ-Joker in Höhe von 50, 100 oder 150 DWZ-Punkten, mit dem sie sich je nach Wunsch in der Startrangliste entsprechend weiter oben einordnen können. Nun empfiehlt es sich nur noch, diese Turniere parallel zu einem Württembergischen Jugend-Pokalturnier auszurichten. So können die Kinder im Kreise ihrer Freunde von einem Turnier ins andere wachsen, entweder weil sie schon in der U12 überdurchschnittlich spielstark sind oder weil sie altersbedingt wechseln müssen. In der Württembergischen Amateurmeisterschaft können natürlich auch alle Eltern, Betreuer und Trainer mitspielen, so dass Betreuerturniere hinfällig sind. Alle spielen Schach, Württembergische Amateurmeisterschaft! Auf dieser Basis hat das Präsidium des SVW am 27. April 2012 in Wernau der Turnierserie zugestimmt.

Zusammenfassung und Ausblick

Mit der Württembergischen Amateurmeisterschaft erweitert sich die Turnierlandschaft im SVW. In dieser Turnierserie spielt praktisch jeder ein Turnier auf seinem Niveau, und damit hat jeder die gleichen Erfolgschancen. Erfolg schafft neue Motivation. Die ersten beiden Termine der Württembergischen Amateurmeisterschaft stehen bereits fest, am 16.09.2012 in Kernen-Rommelshausen und am 22.09.2012 in Stuttgart. Die Ausschreibungen dieser Turniere stehen natürlich dort, wo sie hingehören, in der Schachzeitung Württemberg.

Dr. Konrad Müller
Schulungsreferent Bezirksjugend Stuttgart