Jugendeuropameisterschaft 2021 als Hybridturnier

Veröffentlicht am: 27.10.2021 von Karlheinz Vogel in: Schiedsrichterkommission Drucken

16. Oktober 2021: In 9 Runden CH-System ermitteln die Jugendlichen Ihre Titelträger auf der Plattform Tornelo bei einer Bedenkzeit von 90 Minuten pro Partie + 30 Sekunden Bonus ab Zug 1.

Deutschland ist bei diesem Turnier mit zwei Standorten vertreten, nämlich mit dem mittelthüringschen Apolda und der FIDE-Schachakademie Jussupow in Günzburg.

 

Schach Online mit Brett und Schiedsrichter - ist das die Zukunft?


Die erst vor kurzem nach Günzburg umgezogene Schachakademie Jussupow wurde mit sechs festinstallierten Funkkameras ausgestattet, für eine sehr leistungsfähige Internetverbindung wurden ebenfalls gesorgt.

 

 

Das Günzburger Team vlnr.: Andreas Schell, Jaroslaw Krassowitzkij, Nadja Jussupow, Artur Jusspow, Bernd Hähnle und Amaru Juscamayta


Ferner hat sich der Schachverband Württemberg zur Unterstützung der Hybrid-Turnierform gerne mit der Entsendung zweier Schiedsrichter beteiligt, denen das Thema Digitalisierung wichtig erscheint. NSR Amaru Juscamayta und Tornelo-Schiedsrichter/ Online-Beauftragter Bernd Hähnle sorgten gemeinsam mit Hauptschiedsrichter Andreas Schell (FIDE-Arbiter) für einen erfolgreichen Start in das Turnier ohne besondere technischen Probleme.

Wie darf man sich nun die Vorbereitung und den Ablauf eines solches Turnier in der Praxis vorstellen?

Rechtzeitig vor Beginn werden die Laptops der teilnehmenden Spielerinnen und Spieler auf Zoom-Kompatibilität geprüft.


  • Diverse Stromsparmodi und Update-Funktionen müssen für das mehrtägige Turnier deaktiviert werden, außerdem Schnellstartleisten angepasst werden, damit nicht versehentlich Schachprogramme gestartet werden.

  • Weitere Probleme können sich aus diversen Betriebssystemen (Windows, Chrome usw.) ergeben oder aufgrund von abweichenden Sprachversionen (Chinesisch oder Russisch z. B.)

  • Beim Betreten des Turnierareals werden die Teilnehmer mittels ein Metalldetektors auf elektronische Geräte gescannt.

  • Während der Partien muss eine Zoomsitzung geöffnet sein sowie die Bildschirme mit der Turnierleitung geteilt werden.

  • Die Videos der Überwachungskameras werden ebenfalls über Zoom mit der Turnierleitung geteilt.
Der eine oder andere Schachfreund mag sich nun fragen, ob der Aufwand gerechtfertigt ist.

Nun, was können wir bereits nach 3 Runden dazu festhalten?

  • Sehr angenehme und ruhige Spielatmosphäre

  • Große Einspareffekte für die Teilnehmer: deutlich niedrigere Fahrt- und Unterbringungskosten

  • Mehr Wettbewerb durch großes internationales Teilnehmerfeld mit Chancen auch für finanzschwächere Länder und Teilnehmer

  • Erstaunlich hohe Quote an weiblichen Teilnehmern!

  • Hohe Transparenz solcher Turniere mit umfangreichem Partiematerial.

Fazit:
Wer die Technik gut vorbereitet und im Griff hat, erntet spätestens ab der zweiten Runde die Früchte.

Hier noch ein paar Links zu Liveübertragungen samt Ergebnissen:

Tornelo Girls und Tornelo Open
Chessbase Liveserver und von dort weiter zu EYCC OPEN bzw. GIRLS und Altersklassen U08-U20
Chess Results 

Bernd Hähnle, Beauftragter für Onlineschach, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

27.10.2021: Jaroslaw Krassowizkijs Abschlussbericht von der EYCC am Standort Günzburg:

Vom Freitag, 15.10 bis Donnerstag, 21.10 lief die Jugend-Europa-Meisterschaft. Da sich wegen Corona eine An- und Abreise schwierig gestaltet, wurde in diesem Jahr in Hybrid-Form gespielt. Das bedeutet man spielt klassisches Schach, zentral mit Schiedsrichtern und klassischer Bedenkzeit, den Gegner sieht man aber nur via Bildschirm. Gespielt wurden 9 Runden in 14 Gruppen (U8, U8w, U10, ... bis U20w).

 

Yunqi Li hätte sogar in der Klasse U7 starten dürfen, © Nadja Jussupow, Schachakademie


Wir* als professionelle FIDE-Akademie haben dabei unser Recht wahrgenommen und ebenso wie jede Nation einen Standort gestellt, so dass unsere Schüler teilnehmen konnten, egal welche Nationalität sie haben. Wegen unglücklichen Umständen und einem Krankheitsfall wurde unsere Delegation zu Turnierbeginn von 10 auf 7 Spieler reduziert sowie zwei weitere Schüler, die in Apolda angetreten sind.
Wir haben die Kinder mit vollem Einsatz vorbereitet – und dabei noch besser kennengelernt! – ihre Partien mitverfolgt, dabei ihr Verhalten gesehen und anschließend gemeinsam gleich nach der Partie in einem getrenntem Analysebereich reflektiert.

 

 

anschließende Analyse © Nadja Jussupow, Schachakademie



Als Fazit zum Turnierende können wir sagen, dass die Hybrid-Form nicht abwegig ist. Zwar ist es nicht einfach einen Standort technisch einzurichten und vorzubereiten, dafür aber sparen sich die Spieler und ihre Eltern eine lange Reise und können in Deutschland bleiben. Einerseits sieht man die Gegner nicht von Angesicht zu Angesicht, andererseits spielt man wie in einer Mannschaft, alle unserer Kinder kennen und mögen sich gegenseitig. Sie haben "gemeinsam" gespielt, was einen großen Schub in ihrer Leistung und Motivation während des Spieles bewirkte. Der Effekt war eher größer, als bei einem Open mit unserer Begleitung. Es waren nur die Spieler, Trainer sowie zwei sehr nette Schiedsrichter vor Ort, und es gab keinerlei Störung von außen.

Sollte die EM oder WM nochmals in Hybrid-Form veranstaltet werden, so nehmen wir ganz sicher wieder teil!

 

Siegerehrung, © Nadja Jussupow, Schachakademie


Resultate unserer Kinder

-Yunqi Li, U8, 5,5/9 Punkten, 23. Platz (von 81)
-Daniel Chua (Apolda), U8, 4,5/9, 36. Platz (von 81)
-Hussain Bessou (Apolda), U10, 7/9, 5. Platz (von 108)
-Alfred Nemitz, U10, 5,5/9, 23. Platz (von 108)
-Peter Grabs, U12, 4/9, 68. Platz (von 105)
-Maria Burlutskia, U12w, 5,5/9, 20. Platz (von 76)
-Daniel Hoppstädter, U14, 4,5/9, 49. Platz (von 91)
-Ilya Ogloblin, U14, 3/9, 83. Platz (von 91)
-Katharina Ricken, U18, 5,5/9, 8. Platz (von 32)


Jaroslaw Krassowizkij

 

 

*redaktioneller Hinweis: das "Wir" bezieht sich jeweils auf die Jussupow Schachakademie.