Oberliga-Krimi in Ebersbach

Veröffentlicht am: 08.05.2023 von Karlheinz Vogel in: Spielbetrieb Drucken

Der SK Schmiden / Cannstatt fängt Bebenhausen noch auf der Ziellinie ab und wird württembergischer Meister 2022/23!


Pünktlich um 10:00 begrüßte Staffelleiter Florian Siegle die Oberligisten zum Showdown in Ebersbach an der Fils mit ein paar historischen Daten und einer Reminiszenz an das „Sonnenwirtle“ den berühmtesten Sohn der Stadt, legendär für seine Raubüberfälle, leider mit schlimmem Ende, aber durch Friedrich Schillers „Verbrecher aus verlorener Ehre“ literarisch unsterblich gemacht.

Die Ausgangssituation war rekordverdächtig: Sage und schreibe fünf Mannschaften hatten vor der 9. Runde noch die Möglichkeit zum Aufstieg, das gab es noch nie! Dass am Ende Schmiden / Cannstatt die Nase (wohl eher die Nasenspitze!) vorn haben würde, war absolut nicht vorauszusehen: Mit zwei Niederlagen in die Saison gestartet, mussten sie sich erst durch die Niederungen der Tabelle emporarbeiten, unauffällig aber beharrlich, während Bebenhausen frühzeitig die Spitze dominierte – bis zur 8. Runde: Da setzte Schmiden-Cannstatt mit dem 5:3-Sieg gegen Bebenhausen ein Ausrufezeichen und schloss zur Tabellenspitze auf. Statt sich vorzeitig die Meisterschaft zu sichern, ließ Bebenhausen den Verfolger damit bis auf einen halben Brettpunkt herankommen … damit war klar, dass beide Teams in der Schlussrunde kompromisslos auf Sieg spielen mussten - und das gegen Vereine, die sich durchaus noch selbst Hoffnungen auf den Aufstieg machen durften!

Das gelang beiden: Schwäbisch Hall wurde von Schmiden / Cannstatt mit 2,5 : 5,5 in die Schranken verwiesen und Bebenhausen gewann gegen Biberach mit 5 : 3. Für sich genommen überzeugend, aber war da nicht noch was…? Ja, der ominöse halbe Brettpunkt, der letzte Rest vom einst stolzen Bebenhausener Vorsprung war mit diesem Ergebnis egalisiert und das Unglaubliche trat ein: Die Spieler von Schmiden / Cannstatt, die aus der Tiefe des hinteren Tabellenraumes gekommen waren und nach den zwei Auftaktniederlagen nur noch gewonnen hatten, gingen nach 9 Runden und 72 gespielten Partien Seite an Seite mit Bebenhausen durchs Ziel, beide Teams erzielten 14 Mannschaftspunkte und 42,5 Brettpunkte = Gleichstand!

Manch ein Zuschauer raunte, was passiert denn jetzt, aber der aufkommende Jubel bei den Schmidenern und das betretene Schweigen bei den erfolgsgewohnten Bebenhausenern machte deutlich, dass sich hier soeben ein Drama abgespielt hatte: Das dritte Kriterium war der direkte Vergleich und deswegen hieß der neue Württembergische Meister nun Schmiden / Cannstatt und nicht Bebenhausen, die WTO ist unerbittlich! Einen besseren Vizemeister gab es selten, aber den vielen vertanen Chancen wird man in Bebenhausen sicher noch lange nachtrauern..

Der SK Schmiden / Cannstatt erhielt dagegen nicht nur das tonnenschwere Meisterbrett aus den Händen von Staffelleiter Florian Siegle, ihm gelang sogar das „Double“: Mit Christian Thoma stellten sie auch den Top-Scorer der Oberliga mit beeindruckenden 7 aus 9 - auch hier wieder vor Bebenhausen, denn Georg Braun hatte dasselbe Ergebnis, nur mit einem kampflosen. Also noch ein Fall von Gleichstand bei schlechterer Wertung…

Wie an der Tabellenspitze ging es auch im Abstiegskampf richtig zur Sache: Alle vier gefährdeten Mannschaften hätten sich noch retten können, auch da lagen Triumph und Tragödie nahe beieinander. Letztlich traf es Schönaich und die Stuttgarter Schachfreunde, die trotz engagierten Spiels das Ruder nicht mehr herumreißen konnten.

Trotz Hochspannung verliefen alle Kämpfe sportlich-fair, das Schiedsrichter-Team um Andreas Warsitz hatte alles souverän im Griff. Die Ebersbacher unter Federführung von Bernd Grill erwiesen sich im Jubiläumsjahr als gute Gastgeber und dass man mit dem Verzehr von selbstgebackenen Kuchen und Maultaschen eine Klassenreise nach Madrid unterstützen konnte, war ein schöner Zug.

Es war eine denkwürdige Endrunde, die an sportlicher Dramatik kaum zu toppen sein dürfte. Nur beim „einheitlichen Oberbekleidungsstück“ ist noch Luft nach oben, da kann man sich Schmiden / Cannstatt zum Vorbild nehmen: Der neue württembergische Meister hat eindrucksvoll gezeigt, was eine Mannschaft erreichen kann, wenn sie nicht nur wie eine Mannschaft spielt -einer für alle, alle für einen- sondern auch wie eine gekleidet ist. Zur Nachahmung empfohlen!

Den Preis für die schönste Partie gibt es als Nachschlag – der Abstand zwischen 8. Und 9. Runde war zu gering, um in der kurzen Zeit eine Auswahl mit Abstimmung durchzuführen. Also, ein paar Highlights kommen noch!

F.Siegle
p.s. Bilder der Endrunde werden noch nachgereicht.