Absage der Württembergischen Frauenschachmeisterschaft 2008

Veröffentlicht am: 06.05.2009 von Holger Schröck in: Schiedsgericht » Urteile Drucken

In Sachen

1. Schachverein Stuttgart-Wolfbusch 1956 e.V. vertr. d. d. Spielleiter Alexander Häcker
2. Nadine Stitterich, vertr. d. Alexander Häcker
- Protestführer -

gegen

Schachverband Württemberg, vertr. d. d. Referentin für Frauenschach Biserka Brender
- Protestgegner -

wegen Absage der Württembergischen Frauenschachmeisterschaft 2008

hat das Verbandsschiedsgericht am 10. Oktober 2008 durch Hans-Jörg Schiele als Vorsitzenden und Ute Jusciak und Michael Schwerteck als Beisitzer folgenden Beschluss gefasst:

Der Protest ruht bis zum ordnungsgemäßen Abschluss des Vorverfahrens. Den Protestführern wird insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Begründung:

Die Protestführer machen in ihrem Protest geltend, dass sie sich durch die Absage der Württembergischen Frauenmeisterschaft 2008 beschwert fühlen. Sie bemängeln die Absage trotz ihrer Meinung nach ausreichender Teilnehmerzahl.

Problematisch ist hier die mangelhafte Form des Vorverfahrens. Der Protestführer lässt dem Protestgegner nur eine E-Mail zukommen. Ein Protest, auch im Vorverfahren, hat aber schriftlich zu erfolgen. Der Protestgegner beanstandet in seiner E-Mail vom 12.08.08 die nicht vorhandene Vollmacht von Frau Stitterich. Weitere Formmängel werden nicht dargelegt. Im weiteren Schriftverkehr mit dem Vorsitzenden des Verbandsschiedsgerichts weist der Protestgegner unter anderem auf die mangelnde Schriftform des Protestes hin. Der Protestgegner muss aber auf alle Formfehler hinweisen und die Beseitigung derselben einfordern. Von einem Verbandsfunktionär ist zu erwarten, dass er regelkundig ist. Dieses Wissen muss bei Bedarf weitergegeben werden. Auch die neuere Rechtsprechung (VGH BW 13 S 783/08) spricht von einer Aufklärungspflicht.

Das Schiedsgericht gibt auch zu bedenken, dass die Absage der Württembergischen Frauenmeisterschaft 2008 nicht im offiziellen Verkündungsorgan, der „Rochade Württemberg“, veröffentlicht wurde, so dass bereits fraglich ist, ob hinsichtlich des Vorverfahrens überhaupt eine Frist in Gang gesetzt wurde.

Das Vorverfahren ist deshalb neu zu eröffnen. Die Protestführer müssen zur wirksamen Einleitung des Vorverfahrens gegenüber der Referentin für Frauenschach schriftlich Protest einlegen.

Das Verbandsschiedsgericht plädiert für eine gütliche Einigung im Vorverfahren. Hier sollen die Ungereimtheiten über die Anmeldung der Spielerin Nadine Stitterich objektiv behandelt werden. Wir weisen auf den sportlichen Aspekt und die Wertlosigkeit eines kampflos verliehenen Titels hin und motivieren zu einem Vergleich. Unstimmigkeiten im Innenverhältnis des Verbandes, hier Probleme über die Zuständigkeit, dürfen nicht zu Lasten der Sportler gehen. Die Hauptaufgabe des Schachverbandes ist die Förderung des Schachspiels.

Falls die Parteien im Vorverfahren zu keiner Einigung kommen, wird der Protest wieder aufgenommen und materiell entschieden. Im Falle einer Erledigung im Vorverfahren wird das Schiedsgericht noch eine Kostenentscheidung treffen.

Hans-Jörg Schiele Ute Jusciak Michael Schwerteck

Schiedsspruch

In Sachen

Nadine Stitterich, vertreten durch den Spielleiter des Schachvereins Stuttgart-Wolfbusch 1956 e.V., Herrn Alexander Häcker
- Protestführerin -

gegen

Schachverband Württemberg, vertreten durch die Referentin für Frauenschach Biserka Brender - Protestgegner -

beigeladen:

  • Elke Sautter

wegen Absage der Württembergischen Frauenschachmeisterschaft 2008

hat das Verbandsschiedsgericht am 06. Februar 2009 durch Hans-Jörg Schiele als Vorsitzenden und Ute Jusciak und Michael Schwerteck als Beisitzer für Recht erkannt:

Die Entscheidungen des „Arbeitskreises Frauenschach“ vom 1. August 2008 und der Referentin für Frauenschach Biserka Brender vom 12. August 2008 zur Württembergischen Frauenmeisterschaft 2008 werden aufgehoben.

Der Protestgegner wird verpflichtet, die Meisterschaft unter Beachtung der veröffentlichten Ausschreibung, insbesondere der Punkte Qualifikation und Preisgelder, rechtzeitig vor Beginn der Deutschen Frauenmeisterschaft 2009 durchzuführen.

Der Protestführerin wird die Protestgebühr zurückerstattet.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Begründung:

I.

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der vom Protestgegner beschlossenen Absage der Württembergischen Frauenmeisterschaft 2008.

Der Protestgegner veröffentlichte u.a. in seinem offiziellen Verkündungsorgan, der „Rochade Württemberg“, eine Ausschreibung der Württembergischen Frauenmeisterschaft 2008. Diese sollte vom 23.08.-27.08.2008 in Obersulm ausgetragen werden. Gemäß § 18 der Wettkampf- und Turnierordnung (WTO) war das Turnier in zwei Gruppen durchzuführen. Teilnahmeberechtigt fürs A-Turnier waren nur Spielerinnen mit einer DWZ von mindestens 1750 (§ 18 Abs. 1 Satz 2 WTO), wobei jedoch vom Turnierleiter Ausnahmen zugelassen werden konnten (§ 18 Abs. 1 Satz 3 WTO). Anmeldungen waren gemäß der Ausschreibung an Herrn Holger Namyslo zu richten. In einer auf der Internetseite des Protestgegners veröffentlichten Ausschreibung war als weitere Kontaktperson die Referentin für Frauenschach angeführt; zudem wurde als Meldeschluss der 31.07.2008 genannt. Weiterhin wurde garantiert, das A-Turnier finde ab zwei Spielerinnen statt. In der Ausgabe Juli 2008 der „Rochade Württemberg“ tauchten an unterschiedlichen Stellen beide Versionen der Ausschreibung auf.

Am 01.08.2008 erschien auf der Internetseite des Protestgegners folgende, vom „Arbeitskreis Frauenschach“ gezeichnete Entscheidung:

“Leider wurden die ausgeschriebenen Teilnehmerzahlen in beiden Turnieren nicht erreicht. Damit wird das B-Turnier komplett abgesagt und die einzige Anmeldung im A- Turnier, Elke Sautter, erhält den Württembergischen Meistertitel 2008, den Qualifikationsplatz für die Deutsche Einzelmeisterschaft der Frauen 2009 und eine Startberechtigung für das Herren-Kandidatenturnier 2009!”

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die genannte Entscheidung von der Referentin für Frauenschach getroffen wurde. Der Verfahrensbevollmächtigte der Protestführerin legte gegen diese Entscheidung per E-Mail vom 08.08.2008 bei der Referentin für Frauenschach Einspruch ein mit der Begründung, die Protestführerin habe sich ordnungsgemäß angemeldet. Die Referentin für Frauenschach wies den Einspruch mit Schreiben vom 12.08.2008 zurück.

Mit Schreiben vom 18.08.2008 legte die Protestführerin beim Verbandsschiedsgericht Protest ein. Sie trägt vor, sie habe sich über ihren Spielleiter und jetzigen Verfahrensbevollmächtigten bei Herrn Namyslo für die Frauenmeisterschaft angemeldet. Aufgrund ihrer Wertungszahl sei sie für das A-Turnier startberechtigt gewesen. Gleichzeitig mit ihrer Anmeldung habe sie ihr Interesse daran geäußert, dass die Frauenmeisterschaft ins Kandidatenturnier integriert werde, da das Turnier auf diese Weise sportlich attraktiver werde. Für den Fall der Absage der Frauenmeisterschaft habe sie beantragt, im Kandidatenturnier mitspielen zu dürfen. Sie habe jedoch klar mitgeteilt, dass sie auf jeden Fall an der Frauenmeisterschaft teilnehmen wolle, falls diese zustandekomme.

Die Protestführerin ist der Auffassung, die Absage der Frauenmeisterschaft sei rechtswidrig gewesen, da zumindest zwei Spielerinnen (sie selbst und Frau Elke Sautter) sich ordnungsgemäß angemeldet hätten. Sie meint zudem, der Titel hätte nicht an Frau Sautter vergeben werden dürfen, da die WTO die kampflose Vergabe von Titeln nicht vorsehe.

Die Protestführerin beantragt:

  1. Die Entscheidungen des “Arbeitskreis Frauenschach” vom 1. August 2008 und der Referentin für Frauenschach Biserka Brender vom 12. August 2008 zur Württembergischen Frauenmeisterschaft werden aufgehoben.
  2. Die Meisterschaft ist unter Beachtung der veröffentlichten Ausschreibung, insbesondere der Punkte Qualifikation und Preisgelder, durchzuführen (hilfsweise: nach näheren Festlegungen des Verbandsschiedsgerichts).

Der Protestgegner beantragt:

Zurückweisung des Protests.

Die Referentin für Frauenschach trägt für den Protestgegner vor, ihr hätten bei Ablauf der Meldefrist (31.07.2008) lediglich zwei Meldungen vorgelegen: Für das A-Turnier Elke Sautter (DWZ 1885) sowie für das B-Turnier Daniela Schäfer (DWZ 1734). Unter diesen Umständen habe sie das Frauenturnier absagen und den Titel gem. § 18 WTO an Frau Sautter vergeben müssen. Die Protestführerin sei fürs Kandidatenturnier angemeldet gewesen, nicht für das Frauenturnier. Dies habe Herr Namyslo ihr so bestätigt.

Die Referentin für Frauenschach meint, da die Protestführerin nicht fürs Frauenturnier angemeldet gewesen sei, fehle ihr die Beschwer, um die Absage anfechten zu können. Zudem sei die von der minderjährigen Protestführerin erteilte Verfahrensvollmacht nicht wirksam.

Die Referentin für Frauenschach ist außerdem der Auffassung, der Einspruch vom 08.08.2008 sei formell unwirksam. Ein Einspruch müsse schriftlich erfolgen; eine E-Mail ohne elektronische Signatur genüge nicht, um die Schriftformerfordernis zu erfüllen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Protestführerin habe dies als angehender Jurist und Sohn eines Oberstaatsanwalts wissen müssen. Das gemäß § 17 der Schiedsordnung (SchiedsO) erforderliche Vorverfahren habe somit nicht stattgefunden, so dass der Protest unzulässig sei.

Das Schiedsgericht hat mit Beschluss vom 10.10.2008 die Wiedereröffnung des Vorverfahrens angeordnet und der Protestführerin insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Zwar war das Schiedsgericht der Auffassung, dass unter entsprechender Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung (die Schiedsordnung enthält keine ausdrückliche Regelung) auch für einen Einspruch im Vorverfahren Schriftform erforderlich ist, jedoch habe die Referentin für Frauenschach ihre Aufklärungspflichten verletzt, so dass ein Wiedereinsetzungsgrund vorgelegen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung des o.g. Beschlusses verwiesen.

Die Protestführerin erneuerte daraufhin mit Datum vom 15.10.2008 gegenüber der Referentin für Frauenschach ihren Einspruch in schriftlicher Form. Der Empfang wurde ihr mit Schreiben vom 18.10.2008 bestätigt.

Mit Schreiben vom selben Datum stellte die Referentin für Frauenschach einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden des Schiedsgerichts Hans-Jörg Schiele sowie gegen den Beisitzer Michael Schwerteck. Der Antrag stützte sich im Wesentlichen darauf, dass der o.g. Beschluss in der vorab per E-Mail verbreiteten Fassung versehentlich mit dem Datum 10. September statt 10. Oktober 2008 versehen worden war. Die Referentin für Frauenschach meint hieraus schließen zu können, dass der Beschluss verfrüht, ohne Kenntnis aller relevanten Akten, gefasst worden sei. Zudem vermutet sie, dass die Beisitzerin Ute Jusicak erst nachträglich für einen anderen Beisitzer eingesetzt worden sei, weil dessen Votum den beiden anderen Schiedsrichtern nicht gefallen habe. Am 10. September sei Frau Jusciak noch gar nicht ins Schiedsgericht berufen gewesen. Schließlich geht die Referentin für Frauenschach wegen der Benennung der Datei im E-Mail-Anhang (“wolfbusch_korr”) davon aus, dass das Schiedsgericht seine “vorgefasste Meinung ohne Kenntnis der Sachlage” an den Verein Stuttgart-Wolfbusch geschickt habe, diesen Korrekturen habe vornehmen lassen und diese zum Gegenstand seines Beschlusses gemacht habe.

Die Beigeladene stellte mit Schreiben vom 20.10.2008 denselben Befangenheitsantrag mit vergleichbarer Begründung.

Das Schiedsgericht ging von einem bloßen Missverständnis aus und erteilte den klärenden Hinweis, dass der Beschluss selbstverständlich erst am 10. Oktober 2008 gefasst worden sei (wie auch im schriftlich zugestellten Beschluss richtig angegeben). Zudem wurde klargestellt, dass der Dateiname sich einfach dadurch erkläre, dass vom Schiedsgericht selbst ein früherer Entwurf korrigiert worden sei. Da hierzu keine weitere Stellungnahme erfolgte, hielt das Schiedsgericht das Thema für erledigt.

Eine Bescheidung des Einspruchs der Protestführerin lehnt die Referentin für Frauenschach ab. Mit Schreiben vom 11.12.2008 trägt sie (sinngemäß) vor, der Beschluss des Schiedsgerichts sei erst mit Zustellung am 29.10.2008 wirksam geworden; nach diesem Datum habe sie keinen Einspruch gegen ihre Entscheidung erhalten. Inzwischen seien alle Fristen abgelaufen, so dass der Fall erledigt sei.

Die Protestführerin beantragte dagegen mit Schreiben vom 15.12.2008, dass das Schiedsgericht den Fall wiederaufnehme und ihren Anträgen entsprechend entscheide.

Die Referentin für Frauenschach wandte sich mit Schreiben vom 03.01.2009 gegen eine Wiederaufnahme durch das Schiedsgericht. Der Einspruch vom 18.10.2008 sei zu früh eingelegt worden. Er habe erst ab dem 29.10.2008 innerhalb einer 10-Tages-Frist eingelegt werden dürfen. Desweiteren wies die Referentin für Frauenschach darauf hin, dass sie weiterhin an ihrem Befangenheitsantrag festhalte. Den Vorsitzenden des Schiedsgerichts, der “wieder einmal die Aktenlage nicht bearbeitet” habe, forderte sie auf, von diesem Fall sowie überhaupt von seinem Posten zurückzutreten.

Die Beigeladene äußerte sich mit Schreiben vom 12.09.2008 dahingehend, dass eine Neuansetzung der Meisterschaft für sie nicht in Frage komme. In einem weiteren Schreiben vom 20.10.2008 beantragte sie, den Protest zurückzuweisen. In diesem und einem weiteren Schreiben vom 06.01.2009 äußerte sie sich in ähnlichem Sinne wie die Referentin für Frauenschach.

Zudem meint die Beigeladene, es könne keine Entscheidung des Arbeitskreises Frauenschach aufgehoben werden, da dieses Gremium gar keine Entscheidungen treffen könne.

Außerdem sei die Frauenmeisterschaft nicht abgesagt worden, sondern es sei einfach der Titel an die einzige angemeldete Spielerin vergeben worden. Die Titelvergabe an sich sei nicht angefochten worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

II.

Der Protest ist zulässig und begründet.

Zulässigkeit

Die Zulässigkeit scheitert nicht an einer unwirksamen Verfahrensbevollmächtigung. Ein Spielleiter ist bereits kraft seines Amtes dazu berufen, den sportlichen Betrieb seines Vereins zu organisieren und die diesbezüglichen Interessen seiner Mitglieder zu vertreten. Hierzu kann und muss er auch nach außen hin tätig werden. Im Übrigen liegt dem Schiedsgericht eine von den Eltern der Protestführerin unterschriebene Bevollmächtigung vor. Für das Vorverfahren wurde diese auch an die Referentin für Frauenschach übersandt.

Die Beschwer der Protestführerin ergibt sich daraus, dass sie geltend macht, zu Unrecht nicht für die Frauenmeisterschaft berücksichtigt worden zu sein. Dieses Vorbringen ist im Rahmen der Zulässigkeit ausreichend.

Die Zulässigkeit des Protests ist auch nicht wegen eines nicht ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahrens zu verneinen. Zur Problematik des Schriftformerfordernisses hat das Schiedsgericht bereits in seinem Beschluss vom 10.10.2008 Stellung genommen. Die Protestführerin hat ihren Einspruch in schriftlicher Form wiederholt. Dies genügt den Anforderungen nach § 17 SchiedsO. Der Einwand der Referentin für Frauenschach, der erneute Einspruch habe erst nach dem 29.10.2008 (Zugang des Beschlusses) wirksam erhoben werden können, geht fehl. Zwar wurde der (vorab per E-Mail mitgeteilte) Beschluss des Schiedsgerichtes erst mit postalischer Zustellung rechtlich wirksam. Eine vorherige Erhebung des Einspruchs ist jedoch unschädlich. Schließlich richtete sich der Einspruch nicht gegen den Beschluss des Schiedsgerichts, sondern gegen die bereits existierende Entscheidung der Referentin für Frauenschach. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist die Fristwahrung auch dann gegeben, wenn ein Rechtsbehelf gegen eine bereits existierende Entscheidung sogar schon erhoben wird, bevor die Frist hierfür zu laufen beginnt (vgl. hierzu etwa BGH NJW 1974, 66). Fristen haben generell die Funktion, andere Teilnehmer am Rechtsverkehr vor nicht mehr erwarteten Änderungen der Rechtslage zu schützen. Eine möglichst frühe Vornahme der betreffenden Handlung ist daher geradezu zu begrüßen (“je früher, desto besser”). Zudem ist die Nichtbearbeitung eines Antrags aufgrund seines angeblich zu frühen Eingangs nach Auffassung des Schiedsgerichts in hohem Maße treuwidrig und steht in krassem Gegensatz zum sportlich-fairen Verhalten, dass man von Funktionären eines Verbandes gegenüber seinen Mitgliedern erwarten kann. Insoweit sei auch auf § 2 Abs. 1 der Satzung des Schachverbands Württemberg verwiesen, wo statuiert wird, dass der Schachverband “der Pflege und Förderung des Schachspiels” diene und seine Tätigkeit darauf gerichtet sei, “die Allgemeinheit selbstlos zu fördern durch die Pflege des Sports.” Inwiefern das Verhalten der Referentin für Frauenschach, das gerade auf die Nichtausübung des Sports abzielt, diesen Grundsätzen genügen soll, bleibt dem Schiedsgericht verborgen.

Da die Referentin für Frauenschach ihre endgültige Weigerung kundtat, den Einspruch zu bescheiden, war das Schiedsgericht dazu berufen, den Fall wiederaufzunehmen und zu entscheiden. Die eventuelle Wiederaufnahme wurde bereits im Beschluss vom 18.10.2008 angekündigt, so dass es keines erneuten Beschlusses bedurfte.

Begründetheit

Der Protest ist auch in vollem Umfang begründet. Die Absage der Württembergischen Frauenmeisterschaft 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Protestführerin in ihren Rechten.

Die Protestführerin hat sich über ihren Spielleiter und jetzigen Verfahrensbevollmächtigten bei Herrn Namyslo fristgerecht für die Frauenmeisterschaft angemeldet. Dem Schiedsgericht liegt der einschlägige E-Mail-Verkehr vor. Auch im Zuge des vorliegenden Verfahrens bestätigte Herr Namyslo ausdrücklich, dass die Protestführerin sich bei ihm fristgerecht angemeldet habe. Dies habe er der Referentin für Frauenschach auch mitgeteilt.

Es liegt nahe, dass es bei der Übermittlung der Anmeldung zu einem Missverständnis gekommen ist. Den Wunsch der Protestführerin, die Frauenmeisterschaft ins Kandidatenturnier zu integrieren, hat die Referentin für Frauenschach offenbar fälschlicherweise so verstanden, dass die Protestführerin ausschließlich am Kandidatenturnier teilnehmen wolle. Derartige Missverständnisse sind aber dem Verantwortungsbereich des ausrichtenden Verbandes zuzuordnen und können keinesfalls zu Lasten der Protestführerin gehen. Dadurch, dass sie sich ordnungsgemäß angemeldet hatte, erwarb sie einen Anspruch auf Teilnahme an der Frauenmeisterschaft. Aufgrund der Zusage gemäß der Ausschreibung, das A-Turnier ab zwei Spielerinnen auszutragen, hätte die Meisterschaft zumindest mit der Protestführerin und Frau Sautter, ggf. auch mit Daniela Schäfer (nach Erteilung einer Ausnahmegenehmigung), stattfinden müssen.

Da die Absage der Frauenmeisterschaft bereits aus den genannten Gründen rechtswidrig war, kann die Frage offenbleiben, ob die kampflose Vergabe des Titels an Frau Sautter nach der WTO zulässig war. Mit der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ist die Titelvergabe ohnehin hinfällig.

Offenbleiben kann auch die Frage der Befugnisse des Arbeitskreises Frauenschach, da die angegriffene Entscheidung jedenfalls letztlich dem Protestgegner zuzurechnen ist, auf dessen Internetseiten sie veröffentlicht wurde.

III.

Keiner der Schiedsrichter ist aufgrund von Befangenheit an der Mitwirkung im vorliegenden Verfahren gehindert. Die aus der Luft gegriffenen Spekulationen der Referentin für Frauenschach aus dem Schreiben vom 18.10.2008, welche die angegriffenen Personen massiv in ihrer Ehre beeinträchtigen, sind bereits ihrer Grundlage beraubt worden.

Auf welche Argumente die Referentin für Frauenschach ihren am 03.01.2009 erneuerten Antrag nunmehr noch stützen will, ist nicht ersichtlich.

IV.

Aufgrund des Erfolgs des Protestes ist die Protestgebühr in vollem Umfang zurückzuerstatten.

Außergerichtliche Kosten werden nach §§ 12 Abs. 5 SchiedsO, 13a Abs. 1 FGG in der Regel nicht erstattet. Für das vorliegende Verfahren bestand kein Anlass, von dieser Regelung abzuweichen.

Hans-Jörg Schiele Ute Jusciak Michael Schwerteck

Rechtlicher Hinweis:

Die Beisitzerin, Frau Ute Jusciak, war an der Mehrheitsentscheidung des Verbandsschiedsgerichts beteiligt, hat aber ihre Unterschrift verweigert. Auf die Wirksamkeit des Schiedsspruchs hat dieser Umstand keine Auswirkung.

Diese Entscheidung ist innerhalb der Schiedsgerichtsbarkeit unanfechtbar und sofort vollziehbar. Eine eventuelle Klage vor einem ordentlichen Gericht hat keine aufschiebende Wirkung.