TSV Grafenberg - SF Neckartenzlingen

Veröffentlicht am: 05.05.2000 von Holger Schröck in: Schiedsgericht » Urteile Drucken

In der Schiedssache

des TSV Grafenberg (Abt. Schach)
Protestführerin/Berufungsgegner (Gastgeber)

gegen

die SF Neckartenzlingen
Protestgegner/Berufungsführer (Gastmannschaft)

wegen Einsatz eines nachgemeldeten Spielers

hat das Verbandsschiedsgericht durch Dr. Rolf Gutmann als Vorsitzenden und Eberhard Herter und Werner Musolff als Beisitzer

am 5.5.2000 für Recht erkannt:

Der Schiedsspruch des Bezirksschiedsgerichts Neckar-Fils vom 25.3.2000 wird aufgehoben. Das Ergebnis des Mannschaftskampfes zwischen TSV Grafenberg I und SF 47 Neckartenzlingen lautet 2 : 6 für die SF 47 Neckartenzlingen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt der Protestführer. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Begründung:

I.

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit des Einsatzes eines an Brett 1 der Gastmannschaft nachgemeldeten Spielers beim Wettkampf zwischen der I. Mannschaft der Gastgeber und der Mannschaft des Gastvereins am 20.2.2000.

Der Spieler hatte in der vorangegangenen Saison einen Spielerpass vom TSV Berkheim inne. Er erklärte dort mit Schreiben vom 14.7.1999 seinen Austritt und ließ sich den Spielerpass aushändigen. Sodann nahm er am Württ. Meisterturnier Anfang September 1999 teil. Der TSV Berkheim meldete für die Saison 1999/2000 keine Mannschaft und löste sich zum 31.12.1999 auf.

Schon vor Spielbeginn vermerkte der Gastgeber seinen Protest gegen den Einsatz des an Brett 1 der Gästemannschaft aufgestellten Spielers. Der nach Spielende gegen die Wertung des Wettkampfes eingelegte Einspruch wurde vom Spielleiter zurückgewiesen. Doch gab das Bezirksschiedsgericht gab dem Protest der Gastgeber statt und änderte das Spielergebnis von 2 : 6 auf 5 ½ : 2 ½ für die Gastgeber. Die Nachmeldung an Brett 1 sei unzulässig gewesen und dadurch an den nachfolgenden Brettern angetretene Spieler zu tief eingesetzt worden.

Die Gastmannschaft beantragt mit ihrer Berufung, in Abänderung dieses Schiedsspruchs den Protest der Gastgeber zurückzuweisen. Der Gastgeber verteidigt den Schiedsspruch. Er macht weitergehend geltend, dass der Wettkampf wegen des Einsatzes eines nicht spielberechtigten Spielers habe mit 8 : 0 zu seinen Gunsten habe gewertet werden müssen.

II.

a) Unverständlicherweise wurde der Spielleiter von der I. Instanz als Verfahrensbeteiligter bezeichnet. Doch entspricht seine Rechtsstellung nur derjenigen eines Rechtspflegers, der gegen ihm nicht genehme Entscheidungen des übergeordneten Amtsrichters ebenfalls kein Rechtsmittel einlegen darf. Das Verbandsschiedsgericht hat ihn deshalb nicht am Berufungsverfahren beteiligt.

b) Nicht zu beteiligen am Verfahren war der SC Rochade Metzingen. Zwar entscheidet der Ausgang des Verfahrens über seinen Klassenerhalt. Doch hat diese mittelbare Betroffenheit vom Verfahrensausgang nicht das für eine Beteiligung ausreichende rechtliche Gewicht. Dies zeigt sich schon daran, dass die Parteien des Verfahrens sich auch gütlich auf eine diesem konkurrierenden Verein nachteilige Lösung ihres Konflikts einigen könnten.

c) Protest und Berufung wurden jeweils frist- und formgerecht eingelegt.

d) Das Verbandsschiedsgericht sieht sich dazu verpflichtet, der erst im Berufungsverfahren aufgeworfenen Frage nachzugehen, ob der an Brett 1 der Gastmannschaft eingesetzte Spieler überhaupt spielberechtigt war. Seine Verpflichtung zur Überprüfung des Sachverhalts besteht ebenso wie diejenige des Spielleiters von Amts wegen. Sie ist umfassend und erfasst deshalb auch Vorgänge, die nicht zur Begründung des Protestes oder der Berufung herangezogen wurden. Allerdings hat er bei seiner Entscheidung zu beachten, dass er eine Entscheidung der Vorinstanz nicht abändern darf, soweit kein Rechtsmittel eingelegt wurde.

e) Nachvollziehbar bezweifelt der Gastgeber die Spielberechtigung des an Brett 1 eingesetzten Spielers der Gastmannschaft. § 9 Abs. 1 S. 3 WTO betont das Erfordernis des rechtzeitigen Vereinswechsels, also vor Saisonbeginn. Ab dem 1.9. wird ein Vereinswechsel für Mannschaftskämpfe untersagt. Das Verbandsschiedsgericht hat aber davon abgesehen, im vorliegenden besonderen Ausnahmefall eine Spielberechtigung zu verneinen. Während der Teilnahme am Meisterturnier war der Spieler im Außenverhältnis Mitglied des TSV Berkheim (Schachabteilung). Er musste auch Mitglied eines Vereins sein, um an diesem Turnier teilnehmen zu dürfen (§ 5 Abs. 1 WTO). Sein Spielerpass war nicht an die Passstelle zurückgegeben worden. Allerdings bestand für ihn in der Saison keine Möglichkeit, in einer Mannschaft des TSV Berkheim anzutreten. Der TSV Berkheim hatte in der Saison 1999/2000 keine Mannschaft gemeldet, sondern sich vom Spielbetrieb zurückgezogen und damit einer anderen Mannschaft in der Landesliga den Klassenerhalt ermöglicht. Faktisch hatte sich die Schachabteilung des TSV Berkheim schon vor Saisonbeginn aufgelöst. § 9 Abs. 1 S. 3 WTO will Wettbewerbsverzerrungen entgegenwirken. Nachdem noch nicht einmal die theoretische Möglichkeit eines Einsatzes für den früheren Verein bestand, kann ausnahmsweise die Spielberechtigung für die Gastmannschaft bejaht werden.

Es sei ausdrücklich vermerkt, dass die Passstelle auf die Meldung des Spielers beim Gastverein für ihn eine Spielberechtigung ausstellen musste. Selbst wenn ein Spieler, wie dies die Regel ist, bei einem Vereinswechsel nach dem 31.8. nicht in einer Mannschaft eingesetzt werden dürfte, ist ihm das Antreten bei Einzelturnieren zu ermöglichen. Wünschenswert ist, dass die Passstelle auf den ihr erkennbaren Umstand eines Vereinswechsels immer unmissverständlich hinweist.

f) Abwegig sind die Ausführungen des Bezirksschiedsgerichts, die Nachmeldung an Brett 1 der Gastmannschaft sei rechtswidriges „nach unten rücken“ der nachfolgenden Spieler. Das Verbandsschiedsgericht hält demgegenüber an seinen Ausführungen im Schiedsspruch vom 2.11.1999 fest. Der vom Bezirksschiedsgericht nicht erwähnte § 9 Abs. 5 WTO enthält keine Einschränkung der Nachmeldemöglichkeit in der rangtieferen Mannschaft. Vielmehr ermöglicht § 9 Abs. 2 S. 3 WTO die Nachmeldung an einer beliebigen Stelle. Eine solche Nachmeldung verändert nur den Rang der einzelnen Spieler, nicht ihre Reihenfolge untereinander (§ 9 Abs. 1 S. 1 WTO). § 9 Abs. 1 S. 1 WTO und § 9 Abs. 2 S. 3 WTO verwenden dementsprechend unterschiedliche Begriffe.

III.

Die Verfahrenskosten einschließlich der in beiden Instanzen angefallenen Protestgebühren sind dem Gastgeber aufzuerlegen. Er ist vollständig unterlegen. Der Gastgeber hat die Protestgebühr für das Berufungsverfahren noch an die Verbandskasse zu entrichten. Der Verbandskassierer hat dem Gastverein die entrichtete Protestgebühr zurückzuerstatten.

Es bestand keine Veranlassung, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.

Dr. Rolf Gutmann Eberhard Herter Werner Musolff