Deutsche Meisterschaften - Abschlussbericht

Veröffentlicht am: 24.08.2023 von Karlheinz Vogel in: Presse und Öffentlichkeitsarbeit Drucken

Heiß war es, heiß ging es her und am Ende standen zwei neue Deutsche Meister fest:

WIM Kateryna Dolzhykova bei den Frauen

und

GM Vitaly Kunin in der offenen Kategorie

Herzliche Glückwünsche an beide!

Vom Schachbund war Paul Meyer-Dunker vor Ort und hat beide interviewt.

Vor der Letzten Runde sah es bei den Frauen recht übersichtlich aus: Dolzhykova führte mit einem Punkt Vorsprung vor Schulze, Bashylina und Voicu-Jagodzinsky. Damit blieb diesen drei nur noch eine theoretische Chance auf den Titel: dafür hätten sie die Schlussrunde unbedingt gewinnen, die führende Dolzhykova hätte verlieren müssen und dann wäre es immer noch darauf angekommen, wer den höheren Gegnerschnitt hat. Während drei der vier ihre Partien ihre Partien gewinnen konnten, kam Lara Schulze über ein Remis gegen die U18-Meisterin Karoline Gröschel nicht hinaus, so dass es für sie nur zum undankbaren vierten Platz reichte. Platz drei ging an Carmen Voicu-Jagodzinsky, einen etwas besseren Gegnerschnitt hatte Luisa Bashylina, aber die sechs(!) Siege von Kateryna Dolzhykova blieben für alle unerreichbar.

Zu den lokalen Spielerinnen: Annemarie Meier (Stuttgart) dürfte mit ihrem Ergebnis nicht zufrieden gewesen sein, dafür konnte Ana-Maria Bursan (Ertingen) den letzten Platz der Setzliste einer anderen überlassen und sich über knapp 30 ELO-Punkte freuen. Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zu Rebecca Doll (Untergrombach), die 50 % gegen im Schnitt 250 Punkte stärkere Gegnerinnen holen konnte und sich über knapp 100 ELO- und mehr als 60 DWZ-Punkte freuen durfte. Da lässt sich eine Schlussrundenniederlage gegen die souveräne Siegerin verschmerzen.

Endtabelle Frauenturnier nach 9 Runden, Teilnehmerinnen bis 50 %

Rg.   Name Land 1.Rd 2.Rd 3.Rd 4.Rd 5.Rd 6.Rd 7.Rd 8.Rd 9.Rd Wtg1 Wtg2 Wtg3 Rp
1 WIM Dolzhykova Kateryna GER 14w1 10s1 5w½ 3w1 2s½ 4s½ 6w1 7w1 11s1 7,5 2067 47,5 2340
2 WFM Bashylina Luisa GER 13w1 8s1 6w½ 5s½ 1w½ 3w½ 11s1 4s½ 10w1 6,5 2073 48,5 2239
3 WGM Voicu-Jagodzinsky Carmen ROU 18w1 7s1 4w1 1s0 5w½ 2s½ 10s1 11w½ 6w1 6,5 2065 48 2231
4 FM Schulze Lara GER 21s1 9w1 3s0 10w1 6s1 1w½ 5s½ 2w½ 7s½ 6 2074 49,5 2199
5 Bardorz Jana GER 17s1 12w1 1s½ 2w½ 3s½ 11w½ 4w½ 10s½ 8w½ 5,5 2041 49 2121
6 Meier Annemarie GER 11s½ 14w1 2s½ 9w1 4w0 8s1 1s0 15w1 3s0 5 2027 49 2070
7 Gröschel Karoline GER 16s1 3w0 11s½ 15w1 10s0 17w1 14w1 1s0 4w½ 5 1968 44,5 2011
8 WFM Von Herman Brigitte GER 22s1 2w0 15s0 17w1 12s½ 6w0 13s1 16w1 5s½ 5 1868 37,5 1911
9 WFM Just Anita Dr. GER 19w1 4s0 13w1 6s0 11w0 16s0 22s1 12w1 15s1 5 1827 35 1870
10 WCM Falke Ornella GER 15w1 1w0 12s1 4s0 7w1 14s1 3w0 5w½ 2s0 4,5 2057 49,5 2057
11 Doll Rebecca GER 6w½ 18s½ 7w½ 21w1 9s1 5s½ 2w0 3s½ 1w0 4,5 2055 48,5 2055
12 Zimmer Elke GER 20w1 5s0 10w0 13s½ 8w½ 19s½ 18w1 9s0 14w1 4,5 1810 37,5 1810
13 Walker Julia GER 2s0 16w1 9s0 12w½ 17s0 20w1 8w0 -1 18s1 4,5 1728 38 1776

Die Paarungen an den ersten vier Brettern - jeweils Weiß zuerst genannt:
Brett 1: Rebecca Doll - Kateryna Dolzhykova

Brett 2: Carmen Voicu-Jagodzinsky - Annemarie Meier

Brett 3: Karoline Gröschel - Lara Schulze

Brett 4: Luisa Bashylina - Ornella Falke

In der offenen Kategorie ergab sich ein ganz anderes Bild: vor der Schlussrunde hatten drei Spieler 6 Punkte, zwei kamen auf 5,5 und gar vier auf 5 Punkte. Damit brachten die Ergebnisse der ersten fünf Bretter die Entscheidung über die Platzierung: an Brett 1 spielten mit Raphael Lagunow und Tobias Kölle zwei Spieler mit 6 Punkten gegeneinander und das halbwegs symmetrisch, so dass die Partie recht schnell ins Remis verflachte. An Brett 2 ging es für Christoph Dahl noch um eine IM-Norm und Valery Kunin (6 P.) bescherte seinen Gegnern als Setzlistendritter eine hohe ELO-Zahl für deren Gegnerschnitt, so dass klar war, dass er mit einem Remis nicht an Kölle und Lagunow vorbei kommt. Das versprach Spannung. An Brett 3 diskutierten Marius Deuer und Jonas Hacker eine neue Idee in der Rubinstein-Variante des Nimzoinders. Mit einem Bauernopfer für Entwicklungsvorsprung konnte Deuer seinen Gegner unter Druck setzen und ein natürlich aussehender Entwicklungszug hat die Situation von Schwarz deutlich verschlechtert, so dass Deuer schnell entscheidend Material gewinnen konnte. Damit schloss Marius auf 6,5 Punkte auf. Dank besserer Feinwertung übernahm er die Gesamtführung. An Brett 4 drückte Daniel Fridman mit Weiß gegen Jakob Meister. Der gab einen Bauern für ungleiche Läufer und konnte die remislich aussehende Partie dann auch halten. Damit bewahrheitete sich die „Prophezeiung“ von GM Fridman in seinem Interview, dass +2 für einen Turniersieg nicht reichen wird. An Brett 5 versuchte Magnus Arndt an Nikolas Wachinger zu bezwingen. Dafür wählte er das Zweispringerspiel im Nachzug, um möglichst viel Schärfe in die Stellung zu bekommen. Von den vier gegen zwei Bauern am Damenflügel konnte er einen stibitzen aber behielt seine drei-gegen-eins-Mehrheit am Königsflügel. Weiß gab zwei Figuren für den Turm, und erhielt ein gefährliches Freibauernpaar auf der a- und b-Linie. Schwarz gab den Springer für diese zwei Bauern. Jedoch musste er noch einen seiner vier Bauern abgeben, so dass die Stellung mit T+B gegen L+3B wieder im Gleichgewicht war. Damit hieß es entweder Norm oder Meisterschaft an Brett 2. Vitaly Kunin schilderte das im Interview mit Paul sehr ausführlich: er fühlte sich in seiner Stellung nicht wohl, hatte dafür einen Mehrbauern. Sein Gegner Christoph Dahl verbrauchte viel Zeit, so dass er schon ab etwa dem 20. Zug vom Inkrement leben musste. Also ging es darum, ob er die Zeitkontrolle schaffen und die Stellung halten kann. Beides gelang ihm. Dann spielte Dahl auf Gewinn und den Rest erzählte der spätere Sieger im Interview. Aber das erzählte er so versöhnlich, dass er schon zweimal Zweiter war, dass man dem sympathischen Großmeister seine erste Deutsche Meisterschaft selbst dann gönnt, wenn dadurch für die zwei Hoffnungsträger aus dem Ländle „nur“ die Plätze zwei und drei übrig bleiben. Um also Daniel Fridmans Frage zu beantworten: schlussendlich war +5 nötig, um Deutscher Meister werden zu können.

Auch hier wieder die Topp-Bretter, im Hintergrund das Frauenturnier und an den Kugelfängen erkennt man: gespielt wird in einer SchützenhalleBrett 1: Raphael Lagunow - Tobias Kölle

Brett 2: Christoph Dahl - Vitaly Kunin

Brett 3: Marius Deuer - Jonas Hacker

Brett 4: Daniel Fridman - Jakob Meister

Brett 5: Nikolas Wachinger - Magnus Arndt

Interessant ist, wie sich die drei Youngster schlugen: Trotz zweier Niederlagen in den Schlussrunden konnte Christian Glöckler 44 Punkte im Gepäck nach Hause nehmen. Als Elfjähriger bei einem Gegnerschnitt von mehr als 2400 ELO auf 50 % zu kommen – alle Achtung. Das schaffte auch Alfred Nemitz, der aber wegen seiner niedrigeren Zahl gar über 70 Punkte auf seinem Heimweg "tragen" musste. Nicht ganz so gut lief es für Jakob Herrmann, der in etwa im Rahmen der Erwartung spielte. Da muss man kein Prophet sein, wenn man empfiehlt, dass es sich lohnt, die Entwicklung der drei im Auge zu behalten.

Noch ein Blick auf die lokalen Spieler: Jonas Feidt (Illingen) war der einzige Spieler unter 2.000 und tat sich schwer, Timur Kocharin (Schönaich) spielte im Rahmen der Erwartung. Nicht zufrieden sein dürften Thilo Ehmann (Kuppenheim) und Jaroslaw Krassowizkij, die ihre Startränge nicht verteidigen konnten. Trotz einer Niederlage in der Schlussrunde dürfte Jonas Hacker (Eppingen) mit seinem Abschneiden zufrieden sein, zumal er seinen starken Angriff gegen den nominell stärksten Spieler in einen Materialvorteil umwandelte, den er technisch sauber verwertete. Tobias Kölle und Marius Deuer – beide Schönaich – wären beinahe Erster und Zweiter geworden und wurden in buchstäblich letzter Sekunde noch vom neuen Deutschen Meister Vitaly Kunin überholt. Das war eine gelungene Generalprobe für das Internationale Meister Turnier des Württembergischen Schachfestivals, wo ab Anfang September in Lichtenstein – bei Reutlingen – der Württembergische Meister ausgespielt wird.

Endtabelle der offenen Kategorie nach 9 Runden, Teilnehmer bis 50 %

Rg.   Name Elo Land 1.Rd 2.Rd 3.Rd 4.Rd 5.Rd 6.Rd 7.Rd 8.Rd 9.Rd Pkt. Wtg1 Wtg2 Wtg3
1 GM Kunin,Vitaly 2532 GER 32w½ 26s1 22w1 3w1 7s½ 5w½ 2s1 4w½ 11s1 7 2392 47 5
2 FM Deuer,Marius 2440 GER 25w1 12s½ 6w1 5w½ 19s1 8s½ 1w0 16s1 7w1 6,5 2399 47 5
3 IM Koelle,Tobias 2438 GER 23w1 10s1 19w1 1s0 16w½ 7s1 5s½ 11w1 4s½ 6,5 2395 47,5 5
4 IM Lagunow,Raphael 2413 GER 26w½ 27s1 12w1 20s0 18w1 16s1 9w1 1s½ 3w½ 6,5 2347 45,5 5
5 GM Fridman,Daniel 2586 GER 11w1 22s½ 16w1 2s½ 20w1 1s½ 3w½ 7s0 8w½ 5,5 2407 49 3
6 FM Tschernatsch,Johannes 2319 GER 14w½ 21s1 2s0 13w½ 24s1 19w½ 18s0 17w1 20s1 5,5 2389 43 4
7 IM Hacker,Jonas 2406 GER 27w½ 32s1 18w½ 25s1 1w½ 3w0 17s1 5w1 2s0 5,5 2368 46 4
8 GM Meister,Jakob 2439 GER 17s½ 30w0 26s1 12w1 22s1 2w½ 11s0 10w1 5s½ 5,5 2354 43 4
9 FM Arndt,Magnus 2405 GER 29s½ 17w½ 31s0 34w1 30s1 22w1 4s0 18w1 13s½ 5,5 2280 38 4
10 FM Miller,Eduard 2324 GER 15w1 3w0 13s1 18s0 27w1 20s½ 14w½ 8s0 16w1 5 2392 44,5 4
11 FM Dahl,Christoph 2336 GER 5s0 35w1 14w½ 28s½ 25w1 18s1 8w1 3s0 1w0 5 2385 43,5 4
12 FM Stelmaszyk,Nico 2337 GER 36s1 2w½ 4s0 8s0 32w1 13w1 20s½ 21w½ 14s½ 5 2375 42 3
13 IM Wachinger,Nikolas 2446 GER 16w0 23s1 10w0 6s½ 15w1 12s0 31w1 30s1 9w½ 5 2342 41,5 4
14 GM Poetsch,Hagen 2484 GER 6s½ 18w½ 11s½ 24w½ 31s1 17w½ 10s½ 20w½ 12w½ 5 2321 41,5 1
15 GM Graf,Alexander 2543 GER 10s0 29w1 24s½ 22w0 13s0 26s1 25w1 19w½ 23s1 5 2317 38,5 4
16 FM Gloeckler,Christian 2318 GER 13s1 24w1 5s0 31w1 3s½ 4w0 19s1 2w0 10s0 4,5 2409 47 4
17 Ronge,Tim 2273 GER 8w½ 9s½ 20w0 32s1 28w1 14s½ 7w0 6s0 30w1 4,5 2391 42,5 3
18 Nemitz,Alfred 2228 GER 20w1 14s½ 7s½ 10w1 4s0 11w0 6w1 9s0 22w½ 4,5 2383 46,5 3
19 FM Dauner,Benedikt 2377 GER 34s1 31w1 3s0 30w1 2w0 6s½ 16w0 15s½ 21s½ 4,5 2349 42 3
20 FM Colbow,Collin 2409 GER 18s0 34w1 17s1 4w1 5s0 10w½ 12w½ 14s½ 6w0 4,5 2337 44 3
21 IM Krassowizkij,Jaroslaw 2445 GER 30s½ 6w0 25w0 33s1 23w½ 27s½ 34w1 12s½ 19w½ 4,5 2253 36,5 2

 Ansonsten ist zu vermerken, dass von den vier möglichen Kandidaten bis Runde 8 es nur Johannes Tschernatsch geschafft hat eine IM Norm zu erzielen. Tobias Kölle hätte zwar mit einem Schlussrundensieg an einer 2600er Perfomance kratzen können, aber für eine GM Norm hätte ihm noch ein großmeisterlicher Gegner gefehlt. Dafür schafften Nadja Jussupow und Dirk Windhaus eine Schiedsrichternorm.

Johannes Tschernatsch mit Norm, daneben Bundesturnierdirektor und Hauptschiedsrichter Michael Rütten

1. Kateryna Dolzhykova, 2. Luisa Bashylina und 3. Carmen Voicu-Jagodzinsky

2. Marius Deuer, 1. Vitaly Kunin und 3. Tobias Kölle

alle Sieger auf einem Bild

Der Schachverband bedankt sich insbesondere bei Nadja Jussupow und Amaru Juscamayta für die Organisation, bei Armin Jaeschke und seinem Team vom SC Ostfildern, die nahezu Unmögliches geleistet haben, bei Marco Stegner für die Liveübertragung und natürlich bei der Sportschule Ruit, die trotz kurzfristiger Anfrage eingesprungen ist. Wegen der Sommerferien stand ihr weniger Personal als üblich zur Verfügung, das aber sein bestes gab, um allen Wünschen gerecht zu werden.

Das Helferteam des SC Ostfildern 1952 mit Vorstand Armin Jaeschke (Dritter v.r.), © Amaru Juscamayta, SVW

Veranstalter war natürlich der DSB, hier nochmal der Link zum offiziellen Abschlussbericht. Dort stehen auch alle Partien zum Nachspielen und zum Herunterladen zur Verfügung. Paul Meyer-Dunker war die ganze Zeit vor Ort, hat über 150 Bilder hochgeladen, weitere Interviews gemacht und wer Paul kennt, weiß, dass er auch auf X (Twitter), Facebook und Instagram für den Schachbund unterwegs ist.