Spielansetzung Entscheidungskampf zwischen Wolfbusch I und Schwäbisch Hall I in der Verbandsliga Nord

Veröffentlicht am: 13.06.2012 von Holger Schröck in: Schiedsgericht » Urteile Drucken

In Sachen 

Schachverein Stuttgart-Wolfbusch 1956 e. V.
Protestführer

gegen

den Schachklub Schwäbisch Hall
Protestgegner

wegen Spielansetzung

hat das Verbandsschiedsgericht am 11. Mai 2012 durch Dr. Rolf Gutmann als Vorsitzenden und Dr. Marc Stuckel und Michael Schwerteck als Beisitzer entschieden:

  1. Der Entscheidungskampf zwischen Wolfbusch I und Schwäbisch Hall I in der Verbandsliga Nord wird im Wege der einstweiligen Anordnung auf den 10.6.2012 verlegt.
  2. Die Festlegung des Spiellokals bleibt dem Spielleiter vorbehalten.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Hauptsache vorbehalten.

Sachverhalt:

Der Protestführer wehrt sich gegen die Terminierung des Stichkampfs um die Meisterschaft in der Verbandsliga Nord 2011/12. Die erste Mannschaft des Protestführers lag nach dem letzten Spieltag der regulären Saison (29.04.2012) mit der ersten Mannschaft des Protestgegners sowohl nach Mannschafts- als auch nach Brettpunkten gleichauf an der Tabellenspitze der Verbandsliga Nord. Nach § 8 Abs. 2 S. 4 der Wettkampf- und Turnierordnung (WTO) steigt lediglich eine Mannschaft aus dieser Staffel in die Oberliga auf, so dass gem. § 12 Abs. 2 S. 2 WTO ein Entscheidungsspiel zwischen den beiden vorgenannten Mannschaften auszutragen war.

Der zuständige Staffelleiter versuchte zunächst, eine Einigung zwischen den betroffenen Vereinen zu erreichen. Dieses Vorhaben scheiterte. Insbesondere lehnte der Protestführer den vom Protestgegner bevorzugten Termin 20.05.2012 ab. Zur Begründung führte er an, seine Spielerin Sonja Häcker nehme an diesem Tag an der Hauptausschusssitzung des Deutschen Schachbundes teil, ein weiterer Spieler habe bereits seinen Urlaub über diesen Termin hinweg gebucht und schließlich bestehe eine Überschneidung mit der Stuttgarter Stadtmeisterschaft.

Da auch bezüglich weiterer Termine keine Einigung erzielt wurde, entschied der Staffelleiter den Streit per E-Mail vom 04.05.2012, in welcher er das Entscheidungsspiel auf den 20.05.2012 terminierte. In der Begründung führte er an, Sonja Häcker könne ihre Partie, falls erforderlich, nachspielen. Ein früherer Termin sei „für die Haller zu kurzfristig“, ein Termin im Juni wiederum erschwere die Planung für die nächste Saison.

Der Vorsitzende des Protestführers griff diese Entscheidung mit E-Mail vom selben Tag an. Er betonte nochmals seine Argumente für die Ungeeignetheit des 20.05.2012. Zudem rügte er die Verletzung rechtlichen Gehörs, da der Staffelleiter den Eindruck erweckt habe, diesen Termin nicht mehr in Betracht zu ziehen, und seine überraschende Entscheidung getroffen habe, ohne den Protestführer erneut anzuhören. In einer neuen E-Mail, wiederum vom 04.05.2012, hob der Staffelleiter daraufhin seine vorhergehende Entscheidung auf. Er forderte die Verantwortlichen beider Vereine noch einmal auf, sich auf einen Termin zu einigen und ihm dann Bescheid zu geben.

Der Protestgegner erklärte mit E-Mail vom 05.05.2012, er sei von der Verbindlichkeit der ersten Entscheidung ausgegangen und seine auswärtigen Spieler hätten bereits ihre Anreise gebucht. Der Staffelleiter versuchte nun, eine Einigung bezüglich des 13.05.2012 herbeizuführen. Dieser Termin wurde vom Protestgegner jedoch abgelehnt. Mit E-Mail vom Nachmittag des 05.05.2012 versandte der Staffelleiter eine neue Entscheidung, in welcher er den Spieltermin erneut auf den 20.05.2012 festsetzte. In der Begründung führte er aus, er habe sich zuvor auch über einen anderen Termin Gedanken gemacht, da er die Verlegung einer einzelnen Partie (Sonja Häcker) für „möglich, jedoch nicht sinnvoll“ gehalten habe. In der Folge habe er jedoch in der WTO näher recherchiert. Dabei habe er zum einen festgestellt, dass die Stuttgarter Stadtmeisterschaft keine übergeordnete Veranstaltung sei, die einen Verlegungsgrund darstelle. Zum anderen sei nach „§ 11, 5 und 6 der Schiedsordnung“ (gemeint ist wohl § 11 Abs. 6 S. 2 WTO) die Verlegung einer einzelnen Partie in der letzten Spielrunde nicht zulässig. Ohnehin sei das Fehlen einer Spielerin, „die regulär gar nicht zu den acht Stammspielern der Verbandsligamannschaft gehört (Brett 10)“ kein ausreichendes Argument, um diesen Termin auszuschließen.

Weiter führte der Staffelleiter aus, dass in der Mannschaft des Protestführers „lediglich vier der acht Stammspieler alle Partien absolvieren konnten“ und „auch bei einem Entscheidungskampf ähnliche Situationen auftreten“ könnten. Hieraus folgerte er, dass beim Protestführer „der Aufstieg nicht geplant war“ und er „sich auch nicht ernsthaft in der Planung für die Oberligasaison 2012/13“ befinde. Der Protestgegner hingegen verfolge „seit der Saison 2010/11 den kontinuierlichen Aufstieg mit professioneller Unterstützung und Sponsoren“. Er müsse nun in finanzieller und logistischer Hinsicht die Planung und Organisation für die nächste Saison vornehmen, wofür bei einer Verlegung des Stichkampfs in den Juni nicht mehr genügend Zeit bliebe. Schließlich erwarte auch „die WTO vom Staffelleiter eine zügige Durchführung des Ligabetriebs“. Es bleibe daher lediglich der 20.05.2012. Eine Bevorzugung des Protestgegners liege darin nicht.

Der Protestführer hat gegen diese Entscheidung mit Schreiben vom 08.05.2012 Protest eingelegt. Er ist der Auffassung, der Staffelleiter habe sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Mit dem Spieltermin 20.05.2012 sei er dem Vorschlag des Protestgegners gefolgt; die Einwände des Protestführers seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. In wesentlichen Teilen stütze sich die Entscheidung auf sachfremde Erwägungen. Zudem habe der Staffelleiter den Protestführer nicht auf seine veränderte Rechtsauffassung zur Verlegungsproblematik hingewiesen und durch die fehlende Einräumung einer neuen Stellungnahme den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Seine Rechtsauffassung sei im Übrigen fehlerhaft. § 11 Abs. 5 S. 1 WTO sei nicht anwendbar, da es nicht um eine Verlegung des Mannschaftskampfs als solchem gehe, sondern um eine Terminierung mit offenem Ausgang. § 11 Abs. 6 S. 2 WTO stehe einer Verlegung einzelner Partien nicht entgegen, da eine „letzte Runde“ im Sinne der Vorschrift nicht vorliege. Der Staffelleiter sei auch nicht auf Alternativtermine eingegangen. Unklar sei insbesondere, was gegen den 13.05.2012 spreche.

Der Protestführer beantragt, die Entscheidung des Staffelleiters vom 05.05.2012 aufzuheben und den Stichkampf neu zu terminieren. Hilfsweise beantragt er festzustellen, dass der Protestführer berechtigt sei, einzelne Partien gegenüber dem festgesetzten Spieltermin nachzuspielen. Er bittet um eine rasche Entscheidung, ggf. durch einstweilige Anordnung.

Der Protestgegner beantragt, den Protest zurückzuweisen. Die vom Protestführer vorgebrachten Ablehnungsgründe hält er für nicht relevant. Er selbst habe mehrere Termine in dem Zeitfenster vorgeschlagen, das vom Staffelleiter vorgegeben worden sei. Eine spätere Austragung erschwere die Planung für die nächste Saison. Ihm entstehe außerdem ein Schaden, wenn der Termin 20.05.2012 nicht eingehalten werde, da seine ausländischen Spieler bereits ihre Fahrkarten gekauft hätten.

Zu den Einzelheiten wird auf den Schriftverkehr zwischen den Parteien verwiesen, der dem Schiedsgericht vorliegt.

Entscheidungsgründe:

Wegen der besonderen Dringlichkeit der Angelegenheit hat das Schiedsgericht entschieden, ohne mündliche Anhörung eine einstweilige Anordnung zu treffen. Im Wege der einstweiligen Anordnung war der vom Staffelleiter festgelegte Termin zu verschieben. Nach summarischer Prüfung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass im Hauptsacheverfahren die Entscheidung des Staffelleiters vom 05.05.2012 aufzuheben sein wird. Es ist zu befürchten, dass der Protestführer unangemessen benachteiligt sein wird, wenn am Spieltermin 20.05.2012 festgehalten wird.

Termin und Ort eines Entscheidungsspiels werden nach § 12 Abs. 2 S. 3 WTO „von der Spielleitung bestimmt.“ Nähere Vorgaben oder Richtlinien enthält die WTO nicht, was aber nicht bedeutet, dass die Bestimmung eines Termins nicht überprüfbar wäre. Das Schiedsgericht geht davon aus, dass die aus dem Verwaltungsrecht bekannten allgemeinen Grundsätze heranzuziehen sind, also die zuständige Spielleitung (hier: der Staffelleiter der Verbandsliga Nord) nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. Hierzu gehört die neutrale Abwägung der jeweiligen Belange der betroffenen Vereine. Eine einseitige Bevorzugung eines Vereins ist unzulässig. Ein Verein hat zwar keinen Anspruch auf eine bestimmte Terminierung, wohl aber auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ob die Grenzen des Ermessens eingehalten worden sind, ist im Wege des Protestverfahrens überprüfbar.

Die angegriffene Entscheidung vom 05.05.2012 enthält schwerwiegende Ermessensfehler. Die gebotene neutrale Abwägung wurde nicht eingehalten. Dem Staffelleiter ist zugute zu halten, dass er sich nach Kräften bemüht hat, eine Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen. Soweit seine erste Entscheidung möglicherweise in Frage gestellt werden kann, hat er sie mit E-Mail vom 04.05.2012 wieder aufgehoben. Nicht nachvollziehbar ist seine Begründung. Sie ist geeignet, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken. Anhand der bisherigen Aufstellungspolitik der beiden Parteien werden unzulässige und keineswegs zwingende Schlüsse gezogen. Der Staffelleiter führt aus, dass der Protestführer den Aufstieg ohnehin nicht plane, so dass seine Belange weniger ernst zu nehmen seien als die des Protestgegners. Diese Ausführungen wirken einseitig auf die Interessen des Protestgegners fixiert, nur weil dieser mehr Geld investiere und ausländische Spieler einsetze. Es wäre unzulässig, einen Mannschaft wegen des Einsatzes von Berufsschachspielern oder von Jugendlichen zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Der Spielleiter führt aus, der Mannschaftsführer des Protestgegners) habe „die Aufgabe, die Planung und Organisation für die nächste Saison vorzunehmen.“ Diese Aufgabe hat der Protestführer in gleicher Weise, ohne dass sie für ihn einen geringeren Stellenwert hätte.

Ein Staffelleiter hat die Aufgabe, eine neutrale, unvoreingenommene Spielleitung zu gewährleisten, ohne sich in spekulativer Weise über die mögliche Motivation und die mutmaßliche Politik von Vereinen Gedanken zu machen. Dies sind sachfremde Erwägungen, die keine Rolle spielen dürfen.

Der Staffelleiter nimmt an, eine Verlegung einzelner Partien sei nach § 11 Abs. 6 S. 2 WTO unzulässig. Zumindest nach dem Wortlaut ist die Vorschrift nicht einschlägig. Die „letzte Runde“ war die neunte Runde der regulären Spielzeit. Ein Entscheidungsspiel ist eine Veranstaltung eigener Art, auf die § 11 Abs. 6 S. 2 WTO allenfalls gemäß ihrem Rechtsgedanken analog angewendet werden kann, wenn man davon ausgeht, dass insoweit eine ungeplante Regelungslücke besteht und die Interessenlage vergleichbar ist. Ob dies der Fall ist, kann im Rahmen der einstweiligen Anordnung letztlich offen bleiben. Sollte ein Anspruch auf Partieverlegung wegen der Verhinderung einer Spielerin des Protestführers entgegen der Auffassung des Staffelleiters bestehen, erscheint der 20.05.2012 jedenfalls wenig geeignet, da das Nachspielen einer einzelnen Partie (wie auch der Staffelleiter ursprünglich meinte) wenig sinnvoll ist. Der Wettkampf würde verzerrt und der Ausgang wäre möglicherweise bis zum Nachholtermin ungewiss, so dass eine höhere Planungssicherheit nicht gegeben wäre.

Ob eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt, wie es der Protestführer rügt, kann im vorliegenden Rahmen ebenfalls offenbleiben. Aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Ermessensentscheidung des Staffelleiters besteht jedenfalls eine ausreichende Grundlage für das Schiedsgericht, ggf. durch einstweilige Anordnung eine abweichende Regelung zu treffen, um drohende Rechtsnachteile für den Protestführer abzuwenden.

Es besteht ein Anordnungsgrund in Form der besonderen Dringlichkeit einer Entscheidung. Dem Protestführer kann nicht zugemutet werden, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden und sich auf ein nachträgliches Feststellungsverfahren verweisen zu lassen.

Das Schiedsgericht hat erwogen, trotz aller Einwände gegen die angegriffene Entscheidung am Termin 20.05.2012 festzuhalten. Dies würde jedoch den Protestführer einseitig belasten. Dieser Termin wurde vom Protestgegner vorgeschlagen, so dass man davon ausgehen kann, dass er mehr oder weniger in Bestbesetzung antreten würde. Der Protestführer hingegen müsste auf mehrere seiner eingeplanten Spieler verzichten. Dieser Termin könnte deshalb nur bestehen bleiben, wenn es keine Alternative gäbe, die ausgeglichenere Voraussetzungen bietet.

Der 13.05.2012 wäre angesichts des Entscheidungsdatums extrem kurzfristig gewesen und war daher auszuschließen. Der 27.05.2012 wurde von beiden Parteien einhellig abgelehnt. Der 03.06.2012 liegt mitten in den Pfingstferien und erscheint wenig geeignet. Das Schiedsgericht hat daher den 10.06.2012 als frühesten geeigneten Termin erkannt.

Durchgreifende Bedenken gegen diesen Termin haben die Parteien nicht vorgebracht. Soweit der Protestgegner Termine im Juni pauschal als „zu spät“ bezeichnet hat, ist dies unsubstantiiert. Es ist nicht ersichtlich, dass schon im Mai dringende Maßnahmen zu ergreifen sind, die keinen Aufschub dulden. Bis zur Wechselfrist 01.07. verbleiben noch drei Wochen, was keinen unzumutbaren Zeitdruck darstellt. Den Parteien steht offen, sich doch noch gütlich auf einen anderen Termin zu einigen.

Die Festlegung eines geeigneten Spiellokals bleibt der Zuständigkeit des Spielleiters überlassen.

Eine gesonderte Kostenentscheidung für das einstweilige Rechtsschutzverfahren war nicht erforderlich, sondern der Hauptsache vorzubehalten.