Einsatz von nicht teilnahmeberechtigten Spielern

Veröffentlicht am: 02.04.2018 von Holger Schröck in: Schiedsgericht » Urteile Drucken

Schiedsspruch

In Sachen

Schach-Club Murrhardt 1948 e.V.
– Protestführer/Berufungsführer –
gegen
Schach-Pinguine Sulzbach an der Murr e.V.
– Protestgegner/Berufungsgegner –
wegen:
Einsatz von nicht teilnahmeberechtigten Spielern

hat das Verbandsschiedsgericht des Schachverbands Württemberg am 20.02.2018 durch den Vorsitzenden Alexander Häcker, den stellvertretenden Vorsitzenden Alfred Debus und den Beisitzer Achim Jooß entschieden:

  1. Die Entscheidungen des Staffelleiters der Kreisklasse Stuttgart-Ost vom 28.10.2017 und des Bezirksschiedsgerichts Stuttgart vom 21.12.2017 werden aufgehoben. Die Begegnung Schach-Pinguine Sulzbach 1 - SC Murrhardt 2 vom 22.10.2017 in Runde 2 der Kreisklasse Stuttgart-Ost wird mit dem erspielten Ergebnis von 3,5:4,5 gewertet.
  2. Dem Berufungsführer werden die Protestgebühren zurückerstattet. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Sachverhalt:

Am 22. Oktober 2017 traf die 1. Mannschaft des Berufungsgegners in der 2. Runde der Kreisklasse Stuttgart-Ost auf die 2. Mannschaft des Berufungsführers und verlor mit 3,5:4,5. Auf Seiten des Berufungsführers kamen an den letzten beiden Brettern zwei Spieler zum Einsatz, die bereits am 15. Oktober 2017 in der 3. Mannschaft des Berufungsführers in der C-Klasse Stuttgart-Ost gespielt hatten. Der Terminierung im Schachkreis Stuttgart-Ost ging folgender Verlauf voraus: Die Auslosung und Festsetzung der Spieltermine erfolgt stets auf dem Kreistag. In der Einladung vom 12. Juni 2017 zum Kreistag am 1. Juli 2017 heißt es unter TOP 7 „Auslosung Mannschaften Spieljahr 2017/2018“:

„Teilen Sie mir bitte rechtzeitig - möglichst bis 25. Juni - mit, falls eine Mannschaft zurückgezogen werden soll. Ich werde eine Terminvorschlagsliste ab etwa dem 18. Juni im Internet veröffentlichen. Jeder Verein kann dann Termin-Änderungswünsche an mich weiterleiten.“

Im Protokoll des Kreistages heißt es zu TOP 7: „Auslosung siehe Anlage. Die Termine wurden besprochen. Die Auslosung wird gesondert im Internet veröffentlicht.“ In der Erstveröffentlichung der Spielpläne am 2. Juli 2017 stehen die Paarungen des 2. Spieltags der Kreisklasse unter der Überschrift „2. Spieltag am 15. Oktober 2017“, zur Paarung der Parteien heißt es „Sulzbach I – Murrhardt II (22.10.)“.

Der Staffelleiter der Kreisklasse wertete den 22. Oktober 2017 als Verlegungstermin gegenüber dem 15. Oktober 2017 und sah die beiden hinteren Spieler des Berufungsführers am 22. Oktober gemäß § 9 Abs. 4 WTO als nicht teilnahmeberechtigt an. Er änderte das Ergebnis der Begegnung daher gemäß § 12 Abs. 4 WTO auf 8:0 zugunsten des Berufungsgegners.

Den dagegen gerichteten Einspruch des Berufungsführers lehnte der Staffelleiter am 28. Oktober 2017 ab. Die Begegnung sei im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 2 WTO am Kreistag vom 15. Oktober 2017 auf den 22. Oktober 2017 verlegt worden. Auf den Zeitpunkt der Verlegung komme es nicht an.

Hiergegen legte der Berufungsführer am 5. November 2017 Protest zum Bezirksschiedsgericht Stuttgart ein und trug im Wesentlichen vor, die Begegnung sei mit dem Kreistagsprotokoll von vornherein auf den 22. Oktober 2017 festgelegt, also nicht verlegt, worden.

Mit Entscheidung des Bezirksschiedsgerichts vom 21. Dezember 2017, die dem Berufungsführer nach unbestrittener Aussage am 21. Januar 2018 per E-Mail zuging, wurde der Protest zurückgewiesen. Entscheidend sei letztlich allein die Frage, ob es sich bei dem 22. Oktober 2017 um einen Verlegungstermin gehandelt hat oder ob der 2. Spieltag der Kreisklasse von vornherein auf zwei Kalendertage aufgeteilt wurde. Das Bezirksschiedsgericht vertrat dabei die Auffassung, dass Spieltage grundsätzlich an einem einheitlichen Kalendertag stattfinden und alle Begegnungen zum gleichen Zeitpunkt zu spielen sind. Die einzige Abweichung von diesem Grundsatz sei durch Verlegungen nach § 11 Abs. 4 WTO möglich. Das Bezirksschiedsgericht stützt sich dabei auf eine Entscheidung des Verbandsschiedsgerichts vom 23. Juli 1999 (TSV Schwaigern ./. SV Bad Friedrichshall). Das Verbandsschiedsgericht hatte darin vertreten, dass die WTO keine „gesplitteten Spieltage“ kenne und formuliert:

„Wird ein Spieltag verlegt, und sei es schon bei der Bestimmung des Spieltags…“

Das Bezirksschiedsgericht weist außerdem darauf hin, dass das Startrundschreiben der Kreisklasse den abweichenden Spieltermin nicht nenne, dass dieser auf einem Wunsch des Berufungsführers beruhe (der sich auch nicht nach einer Anwendbarkeit von § 9 Abs. 4 WTO erkundigt habe) und dass die Veröffentlichung der Spielpläne keine Erläuterung zu dem abweichenden Termin enthalte und leitet aus alldem ab, dass auch für die Begegnung der Parteien der 15. Oktober 2017 als ursprünglicher Spieltermin anzusehen sei. Sinn und Zweck von § 9 Abs. 4 WTO sei gerade zu verhindern, dass Spielverlegungen als taktisches Mittel genutzt werden, um die Anzahl der zur Verfügung stehenden Spieler zu erhöhen.

Gegen die Entscheidung des Bezirksschiedsgerichts legte der Berufungsführer am 31. Januar 2018 Berufung ein. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verbandsschiedsgerichts vom 23. Juli 1999, auf die sich das Bezirksschiedsgericht beziehe, hätte die WTO von einem „Kalendertag“ statt von „Spieltag“ gesprochen. Die aktuelle Fassung der WTO enthalte hingegen keine Vorgabe, dass ein Spieltag zwingend an einem einzigen Kalendertag gespielt werden müsse. Grund für den Wunsch des Berufungsführers, nicht am 15. Oktober 2017 spielen zu müssen, sei die Ausrichtung von Turnieren an diesem Wochenende gewesen. Der Berufungsführer untermauert nochmals seinen Vortrag, dass der Spieltermin stets auf den 22. Oktober 2017 festgelegt gewesen sei.

Im Berufungsverfahren wies der Staffelleiter ergänzend darauf hin, dass durch Eingabe von zwei verschiedenen Kalendertagen für einen Spieltag im Portal des Ergebnisdienstes automatisch die Meldung „Spiel verlegt auf den…“ erscheine. Der Vorsitzende des Bezirksschiedsgerichts ergänzte, dass die WTO in der Tat nicht zu einem einheitlichen Spieltag zwinge, das Bezirksschiedsgericht habe sich aber an der Rechtsprechung des Verbandsschiedsgerichts vom 23. Juli 1999 orientiert. Der Darstellung des Berufungsführers wäre allenfalls dann zu folgen gewesen, wenn die Festlegung des Sonderspieltags nicht sein eigener Wunsch gewesen sei, sondern allein durch die Spielleitung erfolgt wäre. So wäre zu befürchten, dass sich einzelne Vereine durch Einflussnahme auf die Terminierung Vorteile verschaffen könnten.

Der Berufungsgegner gab keine inhaltliche Stellungnahme ab. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen. Für eine mündliche Verhandlung bestand angesichts des unstreitigen Sachverhalts kein Bedarf.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig. Ein Einspruch gegen die von Amts wegen erfolgte Entscheidung des Staffelleiters war gemäß § 17 Abs. 3 lit. a) Satz 4 SchiedsO nicht erforderlich, stattdessen konnte direkt Protest eingelegt werden. Allerdings handelt es sich dabei um eine „Kann-“Bestimmung, sodass die Vorgehensweise des Berufungsführers ebenso möglich war.

II. Die Berufung ist auch begründet. § 9 Abs. 4 Satz 2, § 12 Abs. 4 WTO sind auf den vorliegenden Fall der Festlegung eines "gesplitteten Spieltags" nicht anwendbar.

1. Wie das Bezirksschiedsgericht zutreffend ausführt, ist entscheidend, ob der Spieltermin am 22. Oktober 2017 eine „Terminverlegung“ im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 2 WTO darstellt. Zwar war im Vorfeld des Kreistages am 1. Juli 2017 beabsichtigt, den (gesamten) 2. Spieltag der Kreisklasse auf den 15. Oktober 2017 festzulegen. Das Verbandsschiedsgericht geht im Ergebnis aber davon aus, dass die Spieltermine erst mit Veröffentlichung des Kreistagsprotokolls am 2. Juli 2017 im Sinne von § 3 Abs. 1, § 11 Abs. 4 Satz 1 WTO „festgelegt“ wurden. In dieser Erstveröffentlichung war aber – und daher insoweit „von Anfang an“ – vorgesehen, dass die Begegnung zwischen den Parteien am 22. Oktober 2017 ausgetragen wird. Dass dieses Verständnis auch dem Willen des Kreises entspricht, ergibt sich aus einer weiteren Meldung auf seiner Homepage vom 13. August 2017 mit der Überschrift „Terminübersicht 2017/18“. Darin enthalten ist eine Darstellung aller Spieltermine von der E-Klasse bis zur 2. Bundesliga in Tabellenform. Voran steht die Bemerkung: „Die Termine der C- und E-Klasse sind aktuell nur vorgeschlagen. Festgelegt werden sie voraussichtlich am 25.08.2015.“ [gemeint wohl: 25.08.2017]

Es entspricht danach ersichtlich ständiger Praxis des Kreises, zuerst eine Vorschlagsliste zu veröffentlichen und diese gegebenenfalls, auch auf Anregung von Vereinen, noch vor der Festlegung ändern zu können. So war es auch hier in Bezug auf die (gesplittete) Terminierung des 2. Spieltags auf den 15./22. Oktober 2017.

2. Die Festlegung eines gesplitteten Spieltags mag ungewöhnlich sein, ist nach der WTO aber nicht verboten. In § 3 Abs. 1 WTO heißt es lediglich, dass der zuständigen Spielleitung (§ 2 Abs. 5 WTO) die Festlegung der Spieltermine obliegt. Im Übrigen hatte das Verbandsschiedsgericht bereits in der erwähnten Entscheidung vom 23. Juli 1999 trotz seiner Aussage, eine Spielrunde finde grundsätzlich nur an einem Kalendertag statt, darauf hingewiesen, dass die Kreise hiervon abweichen können. Ob die Festsetzung eines gesplitteten Spieltags sinnvoll ist, ist hier nicht zu entscheiden. Jedenfalls auf Kreisebene mag es dafür wegen übergeordneter Terminzwänge im Einzelfall durchaus sachliche Gründe geben.

3. Auch wenn die Vorgehensweise hier als zulässige (erstmalige) Festlegung eines gesplitteten Spieltags anzusehen ist, stellt sich gleichwohl die Frage, ob auch dieser Fall von § 9 Abs. 4 Satz 2 WTO erfasst wird. Dies erscheint allerdings schon nach dem Wortlaut „Verlegung“ problematisch, wenn der Termin – wie hier angenommen – von vornherein auf den 22. Oktober 2017 festgelegt war. Dabei ist das Bestimmtheitsgebot als allgemeiner Rechtsgrundsatz zu beachten, wonach der Inhalt vor allem von Verbots- und Sanktionsnormen hinreichend klar erkennbar sein muss. Möglich wäre dies etwa durch die Formulierung, dass „ein Spieltag“ im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 1 WTO auch immer dann vorliegt, wenn Begegnungen dieses Spieltags an unterschiedlichen Kalendertagen ausgetragen werden. So ist § 9 Abs. 4 Satz 2 WTO aber gerade nicht formuliert.

4. Das Bezirksschiedsgericht stützt sich daher ergänzend auf Sinn und Zweck der Regelung, wobei es sich (neben dem Wortlaut) um ein weiteres wichtiges Auslegungskriterium handelt. So ist es zweifellos richtig, dass Verlegungen nicht als taktisches Mittel genutzt werden sollen. Das Verbandsschiedsgericht geht allerdings im Ergebnis davon aus, dass sich der vorliegende Fall entscheidend von einer „normalen“ Terminverlegung unterscheidet und auch deshalb eine Anwendung des § 9 Abs. 4 Satz 2 WTO ausscheidet. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Das Verfahren von Terminverlegungen ist in § 11 Abs. 4 und 5 WTO geregelt. Danach ist eine Verlegung nur in Ausnahmefällen und unter rechtzeitiger Beteiligung des Gegners möglich, der sich (wenn er mit der Verlegung nicht einverstanden ist) dagegen auch wehren kann. In jedem Fall werden dabei die Interessen beider beteiligter Vereine gewahrt und beiden ist auch zweifellos bewusst, dass es sich um eine Terminverlegung mit der Folge des § 9 Abs. 4 WTO handelt.

Anders liegt es hier. Zwar ist es richtig, dass die Terminierung auf den 22. Oktober 2017 auf einem Wunsch des Berufungsführers beruht. Allerdings war das Verfahren weit weniger transparent als im „Normalfall“ des § 11 Abs. 4 WTO. So waren dem Berufungsgegner die näheren Umstände der gesplitteten Festsetzung womöglich gar nicht bekannt, jedenfalls wurde er hierzu nicht konkret angehört. So weist auch das Bezirksschiedsgericht darauf hin, dass die Veröffentlichung der Spielpläne keine Erläuterung zu dem abweichenden Termin enthielt. Gerade auch zum Schutz des Gegners, dem seinerseits unwissentlich ein Verstoß gegen § 9 Abs. 4 WTO unterlaufen könnte, kann die Festlegung nicht als Verlegung angesehen werden. Denn dies müsste dann für beide Vereine gleichermaßen gelten. Zu demselben Ergebnis führen aus Sicht des Verbandsschiedsgerichts folgende Beispielsfälle. Würden sämtliche Begegnungen eines Spieltags gleichmäßig auf zwei (oder sogar mehrere) Termine gesplittet, ließe sich schon gedanklich gar nicht zuordnen, welcher als Haupt- und welcher als Verlegungstermin anzusehen wäre. Ferner wären bei Anwendung des § 9 Abs. 4 WTO auf gesplittete Spieltage von vornherein sämtliche Termine des gesplitteten Spieltags für alle Spieler der gesamten Liga "gesperrt" im Hinblick auf Einsätze in anderen Mannschaften; im Fall einer zusätzlichen Verlegung im Sinne des § 11 Abs. 4 WTO käme sogar noch ein weiterer gesperrter Termin hinzu. Dies alles führt im Ergebnis dazu, dass § 9 Abs. 4 Satz 2 WTO von einer anderen Konstellation ausgeht und daher hier auch nach Sinn und Zweck keine Anwendung findet.

5. Dem Bezirksschiedsgericht ist allerdings zuzugeben, dass das Verbandsschiedsgericht in der Entscheidung vom 23. Juli 1999 wohl eine andere Auffassung vertreten hatte. Dies mag sich teilweise damit erklären lassen, dass die damalige WTO tatsächlich davon ausging, ein Spieltag sei an nur einem Kalendertag anzusetzen. Falls die damalige Entscheidung so zu verstehen ist, dass jede Festlegung eines gesplitteten Spieltags stets als "Terminverlegung" anzusehen ist, wird diese Auffassung nicht aufrecht gehalten.

Es steht auch nicht zu befürchten, dass Vereine den Zweck des § 9 Abs. 4 Satz 2 WTO durch eine frühzeitige Einflussnahme auf die Terminierung unterlaufen können. Denn die Festlegung der Termine obliegt allein der Spielleitung (§ 3 Abs. 1 WTO), diese muss die Vereine im Vorfeld weder beteiligen noch auf deren Wünsche eingehen. Tut sie dies jedoch, bleibt eine gesplittete Festlegung gleichwohl in ihrer Verantwortung und ist nicht dem Verein (und damit automatisch auch dem – unbeteiligten – Gegner) zuzurechnen.

Maßgeblich ist also auch nicht die Anzeige „Spiel verlegt auf den…“ im Ergebnisdienst. Dabei handelt es sich lediglich um eine automatisierte Meldung, da das Portal des Schachverbandes in technischer Hinsicht keine Festlegung gesplitteter Spieltage vorsieht.

Abschließend wird, ohne dass es hier entscheidungserheblich ist, darauf hingewiesen, dass die Formulierung des § 12 Abs. 4 Satz 3 WTO in Fällen des § 9 Abs. 4 Satz 2 WTO missverständlich ist. Denn § 12 Abs. 4 Satz 3 WTO ließe sich so verstehen, dass ein Spieler stets teilnahmeberechtigt ist, wenn er tatsächlich gespielt hat. Das wäre hier aber in beiden Mannschaften der Fall. Insoweit wird eine Klarstellung angeregt.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 12 SchiedsO.

Alexander Häcker
Alfred Debus
Achim Jooß