Schade   -   Der SK Schwäbisch Hall hätte Baden-Baden schlagen können!

Veröffentlicht am: 08.12.2014 von Claus Seyfried in: Presse und Öffentlichkeitsarbeit Drucken

Glücklicher Sieg für den Deutschen Meister im »Duell der Giganten«


Selten hat man in Deutschland so viele Zuschauer bei einem Schachwettkampf gesehen. Auf 300 - 400 Köpfe schätzte der Haller Team-Captain Harald Barg die Zahl der Neugierigen in den Räumen der Stadtwerke. Und zeitweise sollen laut FM Marc Lang mehr als 3000 Leute den Live-Stream mit den Kommentaren von IM Frank Zeller und GM Mathias Womacka verfolgt haben.

Kein Wunder, wenn der Serienmeister der 1. Schachbundesliga auf den einzigen echten Konkurrenten trifft. Laut Haller Tagblatt vom Freitag war es das »Duell der Giganten«. Und es fing gut an für Schwäbisch Hall. Bis zu 6:2 reichten die optimistischsten Prognosen für einen Haller Sieg gegen Baden-Baden. Eine ganz heiße Partie lieferten sich die Super-Großmeister Etienne Bacrot (BAD / FRA) und Ex-WM-Kandidat Boris Gelfand (SHA / ISR) am Spitzenbrett. Schon diese Partie war so kompliziert und gewagt, dass sich die Wenigsten zu Prognosen hinreißen ließen. Gelfand besiegte seine Nervosität, gewann als einer der Ersten und ließ die Haller Hoffnungen ins Unermessliche steigen.

Shirov verliert in Zeitnot“ lautete eine frühe Prognose von Frank Zeller im Kommentatorenraum für das Duell an Brett 2 zwischen Li Chao (SHA / CHN) und Alexei Shirov (BAD / LAT). Doch am Ende sollte Li Chaos Zeitmangel eine entscheidende Rolle spielen. Schaut man sich diese Partie an, so kann man kaum glauben, was aus dem als langweilig verpönten Abtausch-Slawisch alles entstehen kann. Eine Partie, die so kompliziert ist, dass wir Allerweltspatzer mit ELO-Zahlen unterhalb von 2200 hoffnungslos überfordert sind. Um seinen Angriff voran zu bringen, hatte Li Chao zunächst einen Bauern und sodann seinen Randspringer geopfert und in dieser Stellung schon mehrfach die Schachgebote auf den weißen Feldern wiederholt. Im Kommentatorenraum hatte man die Partie schon als Remis durch Dauerschach abgehakt.



Niemand hatte an einen Zug wie 43. f3 - f4 gedacht. Doch genau das traute sich Li Chao nach 30 Minuten Nachdenken gegen gegen das Taktikmonster, den Ex-WM-Halbfinalisten und Autor des Buches "Fire on the Board" Alexei Shirov aus Riga. Welch ein Kampfgeist! Shirov hatte nun noch 58 Minuten auf der Uhr. Nach einigem Stirnrunzeln und 15 Minuten Zögern entschloss er sich zu dem nahe liegenden 43...Tc8 - c2+. Nach 44. Kg2 - h3 folgte 44... Tc2 - c3. Am Sonntag im Kommentatorenraum meinte Li Chao, dass das ein schwerer Fehler war und Shirov stattdessen hätte 44...Da4 - c6 versuchen müssen.



Überall im Internet, selbst im Schachfeld, konnte man am Sonntag Nachmittag schon nachlesen, dass nun 45. f4 - f5+ die Partie für Weiß gewonnen hätte, denn nach 45... Kh7 46. Th1 ist das Matt auf der h-Linie nicht mehr zu verhindern. Versucht Schwarz das Freimachen der h-Linie mit 46... Da4 - c2 zu verhindern, so folgt 47. Th1 - h2 und nach 46... Tc3 - c2 47. Lg3 - f2! ist der tödliche Wegzug des Königs ebenfalls nicht mehr zu verhindern. Stattdessen verschwendete Li Chao seine schon knappe Bedenkzeit mit hochkomplizierten Nebenvarianten in der Folge des Partiezuges 45. Dd5 - e4+, bei deren Anblick am Sonntag im Kommentatorenraum nicht wenigen Zuschauern schwindlig wurde. Man kann nur staunen, was diese Super-Großmeister alles berechnen. Nur hatte er seine Energie und die knappe Zeit mit den falschen Zug verschwendet. Sehr schade für Li Chao und für Schwäbisch Hall. Der volle Punkt hier hätte bereits den Matchgewinn bedeutet. Shirov, ein fairer Sportsmann, lehnte nach der Partie die Gratulationen seiner Teamkollegen ab, und Li Chao war so enttäuscht, dass er nicht zum gemeinsamen Abendessen kommen wollte und - wie er am Sonntag berichtete - bis 4 Uhr nachts nicht schlafen konnte. Leidtragender war dann am anderen Morgen der Neu-Schweizer Sebastian Bogner in Eppinger Diensten, den er mit Schwarz äußerst kompromisslos abfertigte.

Ebenso höllisch kompliziert war die Caro-Kann-Partie an Brett 3 zwischen Arkadij Naiditsch (BAD / GER) und Viktor Laznicka (SHA / CZE) aufgrund der Vielzahl der beiderseitigen Möglichkeiten. Ganz cool und mit unerschütterlichem Pokerface schaffte Naiditsch das Remis, obwohl Laznicka mehrfach Vorteile zwischen -6 und -12 hatte. Alles in allem also ein höchst glücklicher Sieg für Baden-Baden. Der 4½-Sieg am anderen Tag gegen die starken Eppinger war nur ein schwacher Trost für Schwäbisch Hall.


Claus Seyfried
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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Presse:
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