Schiedsgericht - Auf-/Abstiegsregelung Nusplingen / Dotternhausen

Veröffentlicht am: 06.06.2010 von Christof Beuter in: Bezirk Alb/Schwarzwald » Archiv 2010/2011 Drucken

Aktenzeichen: BSG-AS 1/2010 (bitte stets angeben)

Tuttlingen, den 31.07.2010

 

Schiedsspruch

 

 

In dem Protestfall

Schachclub Nusplingen
vertr. d. Steffen Mayer, Oberes Tor 26, 72362 Nusplingen
- Protestführer -

gegen

Schachgemeinschaft Dotternhausen
vertr. d. Daniel Eppler, Schafbergweg 6, 72359 Dotternhausen
- Protestgegner -

wegen Aufstiegs-/Abstiegsregelung

 


hat das Bezirksschiedsgericht in der Sitzung vom 31.07.2010 beschlossen:
1. Der Protest des Protestführers vom 08.06.2010 gegen die Entscheidung des Bezirksspielleiters vom 05.06.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Protestgebühr verfällt zugunsten der Bezirkskasse.

 



Begründung:
I.
Die zweite Mannschaft des Protestführers hat in der Verbandsrunde 2009/2010 den neunten und vorletzten Platz in der Kreisklasse der Schachbezirks Alb/Schwarzwald belegt. Aus der Bezirksliga steigen zwei Mannschaften in die Kreisklasse ab. Entsprechend der Wettkampf- und Turnierordnung des Schachbezirkes (im weiteren: WTO) steigen gleichsam zwei Mannschaften aus der Kreisklasse in die Bezirksliga auf. Gemäß § 3 lit. c WTO steigen aus der Kreisklasse dementsprechend so viele Mannschaften ab, wie aus der A-Klasse aufsteigen.

Die A-Klasse spielt in zwei Staffeln (Nord und Süd). Gemäß § 3 lit. d WTO haben die beiden Staffelersten den Aufstieg aus der A-Klasse in die Kreisklasse sportlich erspielt.

Bereits einige Wochen vor dem Bezirkstag hat der Erstplatzierte der A-Klasse Nord, die zweite Mannschaft des SV Stockenhausen-Frommern, auf den Aufstieg verzichtet.

Auf dem Bezirkstag am 05.06.2010 hat der insoweit zuständige Bezirksspielleiter zu Protokoll die Entscheidung getroffen, dass anstelle Stockenhausen-Frommern 2 der Zweitplatzierte der Staffel Nord, die erste Mannschaft des Protestgegners, das Recht zum Aufstieg in die Kreisklasse erhält. Gegen diese Entscheidung des Bezirksspielleiters richtet sich der schriftlich und fristgerecht eingelegte Protest des Protestführers.

Der Protestführer trägt vor:
Im Falle des Verzichts eines sportlich berechtigten Aufsteigers auf den Aufstieg habe nicht etwa ein Ersatzaufsteiger bestimmt zu werden, sondern vielmehr verfalle das Aufstiegsrecht insoweit mit der Folge, dass aus der darüber liegenden Spielklasse eine Mannschaft weniger absteigt. Im vorliegenden Fall sei die zweite Mannschaft
des Protestführers der zweite Abstiegskandidat nach der letztplatzierten Mannschaft in der Kreisklasse. Aufgrund des Aufstiegsverzichtes von Stockenhausen-Frommern 2 habe es nur einen Absteiger aus der Kreisklasse zu geben, und die zweite Mannschaft des Protestführers habe in der Kreisklasse zu verbleiben.



Der Protestführer beantragt,
die angegriffene Entscheidung des Bezirksspielleiters aufzuheben und den Verbleib der zweiten Mannschaft des Protestführers in der Kreisklasse auszusprechen.
Die Protestgebühr von fünfzig Euro wurde laut mündlicher Auskunft des Bezirkskassiers vom Protestführer entrichtet.

Der Protestgegner beantragt,
den Protest zurückzuweisen.

Der Protestgegner trägt vor:
Es müsse im Falle des Verzichtes auf den Aufstieg schon aus Sinn und Zweck des gesamten Aufstiegsgedankens heraus einen Ersatzaufsteiger geben. So werde dies auch in anderen Sportarten gehandhabt. Würde das Aufstiegsrecht in diesem Fall für die gesamte Klasse bzw. Staffel verfallen, so bestünde die Gefahr, dass der Aufstieg
in die höhere Klasse auf Jahre hinaus blockiert werden könnte, wenn der Verzichtende Jahr für Jahr die Meisterschaft in der Klasse erringt. Ein sportlicher Wettbewerb um den Aufstieg würde in dieser Klasse dann gar nicht mehr stattfinden.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Das Bezirksschiedsgericht hat v.A.w. Nachforschungen betrieben, insbesondere beim Bezirksvorstand und beim Verbandsspielleiter hinsichtlich etwaiger einschlägiger Präzendenzfälle.

Es wurde im schriftlichen Verfahren verhandelt. Das Bezirksschiedsgericht ist am 31.07.2010 in der Besetzung mit dem Vorsitzenden und zwei Beisitzern zur Beratung und Entscheidungsfindung zusammengetreten.



II.
Der Protest ist zulässig und fristgerecht eingelegt worden, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Der Sachverhalt war zwischen den Parteien unstreitig, weshalb das Schiedsgericht alleine über rechtliche Fragen zu entscheiden hatte.
Der Fall des Aufstiegsverzichtes ist weder in der WTO des Schachbezirkes noch in der WTO des Schachverbandes Württemberg ausdrücklich geregelt.

§ 8 Abs. 1 der WTO des Verbandes ist nicht einschlägig, da es sich vorliegend um keinen Rückzug, sondern um eine Frage des Auf-/Abstieges handelt. Darüberhinaus regelt § 8 Abs. 3, dass die Bezirke den Auf-/Abstieg innerhalb ihrer Spielklassen in eigener Zuständigkeit zu regeln haben.

Auch § 3 lit. c und d der WTO des Bezirkes beantworten die streitgegenständliche Rechtsfrage im Ergebnis nicht. In lit. d ist zwar geregelt: „Die jeweils beiden Erstplatzierten der AN und der AS (A-Klasse Nord und Süd) [...] steigen in die Kreisklasse auf. Des weiteren besagt lit. c: „Es steigen so viele Mannschaften [...] in die A-Klasse ab, [...]“.
Diese Regelung auf den vorliegenden Fall in der Weise anzuwenden, dass „entweder der Erstplatzierte oder gar niemand“ aufsteigt und dementsprechend - mangels eines Aufsteigers - der Ausgleich in der Kreisklasse durch den Wegfall eines Absteigers zu erfolgen habe, entspricht jedoch nicht dem gewollten Sinn und Zweck der Vorschrift.

Der Sinn der in der WTO enthaltenen flexiblen Abstiegsregelung liegt einzig und alleine darin, dass dadurch die von Jahr zu Jahr schwankende Zahl der Absteiger aus der Verbandsliga in den Schachbezirk gehandhabt werden sollte. Von dieser Umstand hat das Schiedsgericht eigene Kenntnis, zumal der Vorsitzende seinerzeit teilweise an den Formulierungen der WTO mitgewirkt hat.

Es ist deshalb unzulässig, die flexible Abstiegsregelung im Wege einer Analogie auf den vorliegenden Fall anzuwenden, da ein Aufstiegsverzicht eine grundlegend andere Voraussetzung darstellt als die Zahl der Verbandsligaabsteiger, auf welche die Regelung ausgelegt war.



Diese Ansicht wird im übrigen auch bestätigt durch einen ähnlichen Fall aus dem Jahr 2003, welcher dem Schiedsgericht vom Bezirksvorsitzenden mitgeteilt wurde. Dort verzichtete eine Mannschaft in einer der beiden Kreisklassenstaffeln auf den Aufstieg, und es wurde zur Bestimmung eines Ersatzaufsteigers ein Entscheidungs-
spiel zwischen den beiden Zweitplatzierten der Kreisklassenstaffeln durchgeführt.

Es entspricht also offensichtlich dem Willen des Bezirkes, den Fall des Aufstiegsverzichtes durch Ersatzaufsteiger zu regeln. In diesem Zusammenhang hatte das Bezirksschiedsgericht jedoch nicht zu entscheiden, ob auch im vorliegenden Fall ein Entscheidungsspiel zwischen den Zweitplatzierten, hier also dem Protestgegner und
dem Zweitplatzierten der A-Klasse Süd, stattzufinden hätte, nachdem durch den Protest lediglich der Abstieg des Protestführers angegriffen war, nicht jedoch die Frage des Ersatzaufstiegsrechtes.

Weiterhin greift auch der Einwand durch, dass eine Mannschaft wie - im konkreten Fall - Stockenhausen-Frommern 2 einen Aufstieg auf Jahre blockieren könnte. Je nach Motivlage des Verzichtenden, die hier nicht zu hinterfragen war, sind durchaus allgemein Fälle denkbar, in denen sich eben diese Motivlage jahrelang nicht ändern könnte. Im vorliegenden Fall hat Stockenhausen-Frommern 2 auch derart überlegen die Meisterschaft errungen (18:0 Punkte, 5 Punkte Vorsprung), dass eine Wiederholung der Meisterschaft als durchaus wahrscheinlich erscheint, sofern sich die personelle Situation nicht stark ändert. Eine solche faktische Blockade widerspricht jedoch dem sportlichen Sinn und Zweck der Einteilung in verschiedene Spielklasse, der nicht nur in der Klassenmeisterschaft besteht, sondern auch und überwiegend in der Möglichkeit, sich für höherklassige Spielklassen qualifizieren zu können.

Der Protestgegner hat sich zwar in der Saison 2009/2010 nicht sportlich für die Kreisklasse qualifiziert. Dies trifft aber auf den Protestführer genauso zu. Darüber hinaus wäre jedoch der Protestgegner spätestens in der Saison 2010/2011 durch den Aufstiegsverzicht benachteiligt. Im Falle des Aufstieges von Stockenhausen-Frommern 2 wäre diese Mannschaft nämlich in der Saison 2010/2011 nicht erneut Aufstiegskonkurrent gewesen.

Dagegen findet eine Benachteiligung des Protestführers eben nicht statt. Der Protestführer wäre auch im Falle des Aufstieges des eigentlich Qualifizierten abgestiegen.

Der vorliegende Fall wäre geregelt in der Turnierordnung des Deutschen Schachbundes, die jedoch nicht für den Schachbezirk, nicht einmal für den Schachverband Württemberg, Gültigkeit hat.

 



Die Turnierordnung regelt einen solchen Fall dahingehend, dass im Falle des Verzichtes der Zweit- und Drittplatzierte der betreffende Spielklasse das Ersatzaufstiegsrecht erhalten, und erst im Falle, dass auch diese Vereine auf den Aufstieg verzichten, der sportliche Absteiger in der darüberliegenden Klasse verbleibt. Der Sinn dieser Kappung auf zwei Alternativaufsteiger liegt offensichtlich darin begründet, dass - im Extremfall - lediglich der Aufstieg durch deutlich
zu schwache Mannschaften verhindert werden soll.

Der Rechtsgedanke, dass die Frage des Aufstieges primär innerhalb der betreffenden Spielklasse entschieden werden soll, findet also sowohl im deutschen Spitzenschach als auch in anderen Sportarten seinen Ausdruck. Zumindest angedeutet ist er auch in der WTO des Bezirkes dadurch, dass für jede Spielklasse eine eindeutige Zahl von Aufsteigern bestimmt ist, während die Zahl der Absteiger sich „von selbst“ ergibt, in erster Linie abhängig vom Abstieg aus höherklassigen Ligen.

Bei Abwägung aller Umstände erscheint deshalb eine Aufhebung der angegriffenen Entscheidung des Bezirksspielleiters nicht geboten. Selbst wenn es sich bei der Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handeln würde, so läge jedenfalls kein Ermessensfehlgebrauch vor. Diese Frage kann jedoch im Ergebnis dahinstehen.

Gleichwohl wird der Schachbezirk aufgefordert, für die Zukunft eine Ergänzung der WTO vorzunehmen und hierbei eine klare Regelung zu treffen, nicht nur hinsichtlich der Frage, ob es einen Ersatzaufsteiger geben soll, sondern auch in welcher Reihenfolge - ggfs. in mehreren Staffeln derselben Klasse - und bis zu welchem Punkt (vgl. DSB-Turnierordnung) nach einem solchen gesucht werden soll.

III.
Nachdem der Protest erfolglos blieb, war gem. § 12 Abs. 3 Schiedsordnung der Verfall der Protestgebühr zugunsten der Bezirkskasse anzuordnen.

Christian Kinkelin              Edgar Eckwert                Thomas Schenk
Vorsitzender                       Beisitzer                           Beisitzer

 

 

Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen den Schiedsspruch ist gem. § 13 Schiedsordnung Berufung möglich. Diese ist innerhalb von 10 Tagen nach Zugang der Entscheidung mit Begründung beim Vorsitzenden des Verbandsschiedsgerichtes, Rolf Gutmann, Olgastr. 1B, 70182 Stuttgart, schriftlich in dreifacher Ausfertigung einzulegen. Gleichzeitig ist die Protestgebühr in Höhe von 100 Euro an die Verbandskasse zu entrichten. Ist die Berufung nicht begründet, so ist die Begründung innerhalb der vorgenannten Frist nachzuholen.