Die erste Bundesvereinskonferenz in Berlin

Veröffentlicht am: 11.06.2017 von Claus Seyfried in: Presse und Öffentlichkeitsarbeit Drucken


Am letzten langen April-Wochenende vor dem 1. Mai, der in diesem Jahr auf einen Montag fiel, veranstaltete die DSJ in Zusammenarbeit mit dem Bereich „Verbandsentwicklung“ des DSB die erste Bundesvereinskonferenz am Rande des tollen Events mit den drei Schlussrunden der Bundesligen der Frauen und Männer im Berliner Hotel Maritim. Als Einladende waren in der Ausschreibung Prof. Uwe Pfenning und Malte Ibs angegeben.

Der erste Tag begann mit einem etwas wissenschaftlichen Referat von Dr. Dirk Schröter (DS Sportmarketing). Die interessante 60-seitige Vorlage des Vortrags haben alle Teilnehmer erhalten, allerdings versehen mit dem strengen Vermerk, dass eine unautorisierte Weitergabe von Teilen oder des Ganzen an Dritte untersagt ist. Das ist natürlich im ersten Moment enttäuschend, aber aus Sicht des Autors absolut verständlich und unbedingt zu akzeptieren. Genauso verhält es sich auch mit den Ausarbeitungen zu allen anderen Vorträgen, die den Teilnehmern ca. vier Wochen später zugesendet wurden. Daher beschränke ich mich auf wenige Kernaussagen, die ich für unsere Situation im Schach interessant fand.

So verglich Dr. Schröter z.B. die Mitgliederzahlen des Schachs mit dem Rudern. Bundesweit sind etwa gleich viele Personen organisiert. Aber die Rudervereine sind im Durchschnitt viel größer! Im Schach verteilen sich ca. 89.000 Mitglieder auf 2394 Vereine. Im Durchschnitt haben wir also 37 Mitglieder im Schachverein. Im Rudern liegt aber die Vergleichszahl bei 140! Doch in Wirklichkeit ist es noch schlimmer, denn an der Spitze der letzten DSB-Mitgliederstatistik (www.schachbund.de/groesste-vereine-28-12-2016.html?file=files/dsb/archiv/2016/DSB-Vereinsstatistik_20161228.xls) haben wir zwei Riesenvereine mit dem Hamburger SK (679) und den Schachzwergen Magdeburg (564), während es 700 Vereine gibt mit nur 20 oder noch weniger Mitgliedern.

Und was ist daran so schlimm? Weil man einen viel zu hohen Anteil der Mitglieder mit Funktionen belasten muss, wenn man einen arbeitsfähigen Verein mit Vorstand, Kassier, Spielleiter, Jugendleiter, Pressewart, Materialwart, WebMaster usw. haben will. Und der Mangel an Personen, die bereit sind sich für ihren Sport über die eigentliche Tätigkeit hinaus zu engagieren, wurde zuvor schon als eines der größten Probleme identifiziert. Die in jüngerer Zeit in Württemberg ermöglichten Spielgemeinschaften waren in diesem Hinblick also sicher ein Schritt in die falsche Richtung. Wir müssen der Auflösung eines Mini-Vereines nicht nachtrauern, solange sich seine Mitglieder anderen Vereinen anschließen! Die mitgliederstärksten Vereine in Württemberg sind übrigens der SV Stuttgart-Wolfbusch (190), SK Bebenhausen (171), Stuttgarter SF (159), SV Balingen (153) sowie der SK Sontheim (150).

Sodann wurden 11 Tipps mit Beispielen erläutert, die ich hier sicher zitieren darf.

  • Tipp 1: Erweitern Sie Ihr Know-how!
  • Tipp 2: Mit Leitbild / Strategie für Handlungsrahmen sorgen!
  • Tipp 3: Sich am Handlungsrahmen orientieren / halten!
  • Tipp 4: Strategische Ziele im Marketing-Mix berücksichtigen!
  • Tipp 5: Angebote sind das Herz des Marketings!
  • Tipp 6: Neue / Alternative Vertriebswege wählen!
  • Tipp 7: Zeitgemäße Kommunikation!
  • Tipp 8: Personalpolitik - Mitglieder wertschätzen!
  • Tipp 9: Ausstattungspolitik
  • Tipp 10: Preispolitik
  • Tipp 11: Prozesse vereinfachen mittels digitaler Medien!
Unter Tipp 6 wurde übrigens ein Marketingvorteil angesprochen, den wir Schachvereine gegenüber dem „richtigen“ Sport haben: Bei den Senioren rennen wir offene Türen ein!

Karlheinz Eisenbeiser und der BG Buchen


Buchen mit seinen 8.000 Einwohnern liegt mitten im Odenwald und alle großen Städte wie Mannheim, Frankfurt oder Stuttgart sind so in etwa gleich weit entfernt. Karlheinz Eisenbeiser, Vater des IM Amadeus Eisenbeiser, wirkt seit Jahrzehnten als Oberstudienrat für Deutsch und Sport am Burghardt-Gymnasium. Seine Schach-AG an dieser Schule war also vor langer Zeit die Keimzelle des B(urghardt) G(ymnasium) Buchen. Aber dabei blieb es nicht. Die Schach-AGs spielen noch heute eine große Rolle, aber nicht nur am BG, sondern an etlichen Schulen im Umkreis. Diese werden heute im Wesentlichen durch einen FSJ-ler betreut. Den besten Kandidaten kann Herr Eisenbeiser jedes Jahr aus den Abschlussklassen des BG auswählen. Die Kosten für den FSL-ler, z.B. Taschengeld, belaufen sich auf ca. 5.000 € im Jahr. Das übernimmt natürlich ein Sponsor. Genauso wie viele andere interessante Projekte, die Karlheinz Eisenbeiser ins Leben rief.

In einem kleineren Ort, in dem „man sich kennt“, war es für Herrn Eisenbeiser von Anfang an möglich für hinreichend interessante Projekte auch zahlungswillige gewerbliche Sponsoren zu finden. Es gab sogar einmal die Situation, dass sich eine Sparkasse mit einer Volksbank stritt, wer von beiden den Schachverein unterstützen darf. Es ist wirklich kaum zu glauben, was Herr Eisenbeiser in Buchen alles erreicht hat. Aber er hat auch eine Menge Phantasie entwickelt und seine Leute für die verschiedensten Projekte motivieren können. Ein Höhepunkt war z.B. der Besuch von Anatoli Karpov 2015, von dem auf dem Flaschenöffner zu lesen ist. Man kann sagen, der Schachverein ist in Buchen ein gesellschaftlicher Faktor von Rang!


Ullrich Krause und der Lübecker SV


Sodann folgte ein mäßig interessanter Vortrag eines weiteren Vereinsvertreters, und zum Abschluss des Samstags rechtzeitig vor Beginn der Bundesliga war als dritter Vereinsvertreter Ullrich Krause, damals noch Kandidat für das Amt des DSB-Präsidenten, mit seinem Lübecker SV angesagt. Er schilderte die Entwicklung vom Treffpunkt älterer Männer in einer von Zigarettenrauch geschwängerten Spelunke der 1980-er Jahre über den Erstbundesligaverein mit bezahlten ausländischen Spielern zum heutigen Verein mit 10 Jugendteams im Ligabetrieb. Wenn ich es richtig verstanden habe, war es ein wesentlicher Erfolgsfaktor, dass zahlreiche Eltern ihre Kinder von der Schulschach-AG an einer Schachschule anmeldeten, damit die Kinder mehr Erfolg haben und vielleicht auch an zusätzlichen Nachmittagen betreut werden. Über die private Schachschule des Vereinsmitglieds Weiß finden die Kinder schließlich den Weg zum Lübecker SV. Dabei war es essentiell, dass die kommerziellen Interessen der Schachschule und die Interessen des Vereins stets auf behutsame Weise aufeinander abgestimmt waren.

Das hörte sich während des Vortrags alles ganz wunderbar an. Doch wenn ich an unsere Stuttgarter Eltern denke, so kann ich nur sagen, sie denken gar nicht daran Geld für eine Schachschule auszugeben. Sie erwarten diese Leistung vom Verein. Übrigens ist der berühmteste Jugendliche aus Lübeck, Rasmus Svane, nicht vom Schulschach gekommen. Wie man jetzt gerade bei der Deutschen Jugendmeisterschaft gesehen hat, hat Rasmus ja sogar noch weitere Geschwister! Glück für Lübeck!

Mein Sonntag fiel aus


Vom zweiten Tag der Vereinskonferenz kann ich leider nicht viel berichten. Den Sonntag verbrachte ich auf telefonische Empfehlung eines Arztes im nahen Bundeswehrkrankenhaus, und zwar für drei kurze Untersuchungen, die sich über sechs Stunden erstreckten. Am Samstagmorgen, als ich um 8 Uhr von einer Bekannten am Flughafen abgeholt wurde, stellte ich erstaunt fest, dass ich kaum in ihr Auto einsteigen konnte, weil ich mein rechtes Knie nicht mehr beugen konnte. Das kam aus heiterem Himmel. Anschließend habe ich mich im Hotel Maritim wie ein frisch Behinderter zehnzentimeterweise durch die Flure geschoben. Schließlich konnte ich keinen Muskel am rechten Bein mehr anspannen, so dass es ratsam erschien ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Am Sonntagmorgen schaffte ich es gerade noch unmittelbar nach dem Frühstück und direkt neben dem Frühstücksraum unseren SVW-Journalistenpreis an Hartmut Ruffer vom Haller Tagblatt zu überreichen und dann ab ins Krankenhaus. Zurück kam ich mit zwei Krückstöcken, einem dicken Arztbrief ohne Diagnose und einem Rezept für Schmerzmittel, doch leider ohne die Mittel. Zurück in Stuttgart wurden dann per MRT einige Schäden am rechten Meniskus und am Knie identifiziert. Inzwischen wurde ich am Knie operiert, allerdings am falschen Knie, worauf sich das rechte Knie vor Schreck von alleine erholt hat. Ich bin also wieder vollkommen OK, und ein Glück für mich, und wohl auch für meinen Orthopäden, war, dass das linke Knie die Operation auch gebrauchen konnte.

Am Montag nicht mehr ganz so viel


Beim Frühstück schenkte mir Karlheinz Eisenbeiser den abgebildeten Flaschenöffner, nachdem ich mit meinen Krückstöcken mit größter Mühe seinen Tisch erreichte, ohne dass meine Spiegeleier vom Teller rutschten. Vermutlich aus Mitleid?


Ansonsten war am Montag ein Impulsreferat vom Malte Ibs, Vorsitzender der DSJ, angesagt. Der Vortrag von Herrn Ibs war interessant und abwechslungsreich. Außer viel von diversen Wetten und Terre des Hommes wurden Dinge angesprochen, die auch schon am Samstag angeklungen waren, wie Wertschätzung der Mitglieder und Funktionsträger, das Übernehmen von Funktionen im Verein attraktiv gestalten und Ähnliches mehr. Aber noch etwas: Jede One-Man-Show ist auf Dauer zum Scheitern verurteilt. Es ist nur eine Frage der Zeit. Daher ist es entscheidend, wie wir es schaffen genügend Vereinskollegen zu motivieren aktiv mitzumachen.

Insgesamt war es eine tolle Sache. Und sollte der 1. Mai ab jetzt jedes Jahr auf einen Montag fallen, so sollte man diesen Event zusammen mit den drei Schlussrunden der Bundesligen unbedingt jedes Jahr wiederholen! Man wird sehen, was der Kalender und die Veranstalter in Berlin möglich machen.

Sicher werden die Erfolgsfaktoren des BG Buchen oder des Lübecker SV auf die wenigsten Vereine einfach so eins zu eins übertragbar sein. Daher ist es unsere entscheidende Aufgabe diejenigen Erfolgsfaktoren zu finden, die wir in unserem Verein mit unseren Leuten realisieren können.


Claus Seyfried
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit


Links:
Ausschreibung zur Bundesvereinskonferenz
Bundesvereinskonferenz setzt neuen Standard
„Schachverein und Schachschule - eine gelungene Symbiose“ von Ullrich Krause
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