Europa-Rekord im Blind-Simultanschach

Veröffentlicht am: 03.12.2009 in: SVW aktuell Drucken

 

FM Marc Lang beim Blind-Simultanschach.

Foto: FM Marc Lang beim Blind-Simultanschach. (Quelle: Alexander Geilfuß)

Letztes Jahr spielte FM Marc Lang in Ditzingen bei Stuttgart bereits gegen 23 Schachspieler gleichzeitig blind und stellte damals bereits einen neuen Deutschen Rekord im Blind-Simultanschach auf. Dieses Jahr setzte er einen oben drauf. Gegen 35 Spieler trat der Günzburger an und wollte eigentlich "nur" seinen letztjährigen Deutschen Rekord überbieten. Das Ganze lief allerdings so gut, dass seine erzielte Bilanz sogar einen neuen Europa-Rekord bedeutet. Unglaublich!

Beim Blind-Simultanschach spielt ein Spieler gegen mehrere Spieler gleichzeitig Schach. Und in diesem Fall, ohne ein einzelnes Brett davon zu sehen. Alle Züge und Stellungen müssen im Gedächtnis erhalten bleiben. Nicht nur diese Gedächtnisleistung an sich ist schon bemerkenswert. Nein, er muss ja auch noch gut spielen und gegen seine Gegner größtenteils gewinnen. Viele Schachspieler sind bereits sehend, und das auch schon an einem Brett, ausreichend gefordert.

 

Die Eventfläche. Die Schachbretter sind mit großen Sperrholzplatten abgeschirmt.

Foto: Die Eventfläche. Die Schachbretter sind mit großen Sperrholzplatten abgeschirmt. (Quelle: Alexander Geilfuß)

"Wie, er spielt blind? Sind ihm etwa die Augen verbunden?" - Nein. Marc Lang konnte die ganze Veranstaltung lang sehen, sogar seinen Kontrahenten in die Augen schauen. Alle Schachbretter wurden in Hufeisenform aufgestellt. In der Mitte saß FM Marc Lang. Der Sichtschutz war gewährleistet, indem vor jedem Tisch eine ca. 1,20-Meter hohe Sperrholzwand aufgestellt wurde. Die Bretter konnte Marc Lang nicht sehen. Um sicher zu stellen, dass die ganze Veranstaltung über er keinen Blick auf die Bretter erhaschen konnte, ist der Fußbodenbereich mit speziellen Berandungen versehen worden. Marc Lang durfte sich nur innerhalb dieser Berandung aufhalten. Bei Übertreten hätte ihm der Rekord sofort aberkannt werden können.

"Ich muss mal." - Auch ein FIDE-Meister muss hin und wieder auf Toilette gehen. Dafür hat er eine eigene Toilette erhalten, um nicht in seiner Konzentration gestört zu werden. Auch der Gang zu dieser Toilette wurde auf dem Fußboden mit Berandungen markiert, innerhalb nur derer er sich bewegen durfte. Jegliche Einsichtmöglichkeit auf die Bretter wurde während dieses Ganges mit Stellwänden und Plakaten abgeschirmt. Sogar die Fenster wurden mit Papier abgeklebt, damit in den Nachstunden keine Spiegelungen der Bretter zu sehen waren.

Jeder Kontrahent musste seine Partie mitschreiben. Die Zugübermittlung fand über Zuruf und einer Züge-Eingabemaske auf einem Laptop statt. Ein Kontrahent nennt und zieht seinen Zug in langer Notation (z.B. "Springer Gustav Eins nach Friedrich Drei"). Der Schiedsrichter wiederholt diesen Zug laut und deutlich. Marc Lang sitzt selbst vor einem Laptop mit einer Eingabemaske. In diese gibt er den verstandenen Zug ein. Per Beamerprojektion kann jeder im Raum die Aktivitäten auf dem Laptop verfolgen. Nach Eingabe des Halbzuges verschwindet dieser, und Marc Lang darf sich eine möglichst gute Antwort überlegen. Diese gibt er dann wiederum in seine Eingabemaske ein. Durch diese optische Kontrolle des übermittelten Zuges per Beamer werden mögliche Hörfehler beim Übermitteln der Züge ausgeschlossen. Zugleich hat so auch der Simultanspieler einen Mitschrieb der Partie, den allerdings nur der Schiedsrichter einsehen kann.

 

Das Fernsehen war die ganze Veranstaltung lang dabei.

Foto: Das Fernsehen war die ganze Veranstaltung lang dabei. (Quelle: Alexander Geilfuß)

Das Medieninteresse war überwältigend. Mehrere lokale und bundesweite Tageszeitungen, diverse Radiosender sowie das Fernsehen berichteten vor, während und nach der Veranstaltung. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete am Samstag der Veranstaltung auf Seite 3 in einem großen Bericht.

Einen solchen Medienrummel rund um Schach gibt es äußerst selten. Da veranstaltet die FIDE eine Schach-Olympiade irgendwo in Sibirien, und den Medien ist dies kaum eine Erwähnung wert. Da ist vom DSB in den Medien zu lesen, dass er seine starken Spieler teils nicht bezahlen kann. Alles Dinge, die Schach nicht wirklich schön darstellen lassen in der Öffentlichkeit.

Doch dann hat ein normal wirkender Schachspieler aus einer 5000-Einwohner-Gemeinde am Rande des Schachverbandes Württemberg eine verrückte Idee. Er tritt gegen 35 Spieler gleichzeitg an und spielt gegen sie blind Schach. Und schon ist das Medieninteresse gewaltig. Viele Tage und Wochen vor der Veranstaltung hielt das Telefon bei Marc Lang und Vereinsvorsitzenden Roland Mayer nicht still. Diverse auch bundeweite Zeitungen hielten verschiedenste Interviews mit dem Rekordanwärter. Während der Veranstaltung berichtete das SWR4-Schwabenradio live vom Event. Und jetzt nach dem geglückten Europa-Rekord lassen die Glückwünsche und Berichterstattungen nicht nach. Mittlerweile hat auch das Ausland von der Sensation im Schwabenländle Wind bekommen. Glückwünsche und Internet-Berichterstattungen aus aller Welt erreichen derzeit die Organisatoren.

 

Bärenstarker Auftritt. Das Maskottchen eines der Sponsoren stand sinnbildlich für die Leistung des Marc Lang.

Ein bärenstarker Auftritt. Das war es wirklich, was der 40-jährige selbstständige Programmierer aus Günzburg hingelegt hat.

Foto: Bärenstarker Auftritt. Das Maskottchen eines der Sponsoren stand sinnbildlich für die Leistung des Marc Lang (Quelle: Alexander Geilfuß).

Wer meint, dass Marc Lang nun genug habe, der täuscht sich. Im kommenden Jahr 2011 wird noch eine Schippe drauf gelegt. Dann versucht Marc Lang, den über 60 Jahre alten Weltrkord vom damaligen Weltmeister Miguel Najdorf aus dem Jahr 1947 zu toppen. Dieser liegt bei 45 Brettern. Marc Lang wird in Sontheim an der Brenz dann gegen 46 Spieler gleichzeitg blind antreten. Der Medienhype darüber wird sicher noch viel größer werden als er es jetzt schon ist. Wir dürfen gespannt sein. Einfach unglaublich!

 

 

Autor: Alexander Geilfuß,

Bezirksleiter Schachbezirk Unterland,

Mitglied im Erweiterten Präsidium des Schachverbandes Württemberg,

Regionaler Schiedsrichter

 

Weiterführende Links:

- Veranstalter-Seite: http://www.blindsimultan.de

- Homepage des ausrichtenden Vereins SK Sontheim/Brenz: www.schach-sontheim.de

- Fernsehbeitrag des SWR-Fernsehens am 29.11.2010:

 

- Live-Berichterstattung des SWR4-Schwabenradios, Teil 1, am 27.11.2010

- Live-Berichterstattung des SWR4-Schwabenradios, Teil 2, am 28.11.2010